- Tiere im Garten
Die Vielfalt der Bestäuber
Unterschätzte Bestäuber – von Ameise bis Gamma-Eule
Foto: Gerisch/Fotolia
Jeder Gartenfreund kennt die Situation, wenn es zur Apfelblüte tagsüber kalt ist und die Honigbienen nicht fliegen können. Trotzdem können wir auch in solchen Jahren Äpfel ernten, zwar nicht so viele, doch fällt die Ernte nicht ganz aus. Wer sich ein wenig auskennt, weiß, dass z.B. Hummeln auch bei niedrigen Temperaturen aktiv sind und dass die Bestäubung vieler Obstblüten auf ihre Rechnung geht.
In der Tierwelt, vor allem bei den Insekten, gibt es eine ganze Reihe verschiedener Arten, die Blüten bestäuben. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass 25–50 % der Bestäubung von anderen Tieren als der Honigbiene geleistet wird – doch stehen Käfer, Ameisen, Florfliegen oder Wespen als Bestäuber weniger im Fokus.
Den Anreiz zur Bestäubung bieten die Blütenpflanzen selbst mit der Bereitstellung von zuckerhaltigem Nektar und eiweißreichem Pollen. Vor rund 350 Millionen Jahren hat die Evolution mit der „Erfindung“ der Blütenpflanzen eine sehr erfolgreiche Strategie entwickelt. Nachdem Sporenpflanzen wie Farne und Moose sowie Windbestäuber wie Gräser und manche Gehölze für eine gesicherte Bestäubung Massen an Sporen und Pollen produzieren und in die Luft entlassen müssen, gehen Blütenpflanzen viel sparsamer und gezielter vor: Sie locken Tiere an, die den Pollen auf weitere Blüten übertragen.
Dabei sammeln einige Arten wie Honigbienen und Hummeln neben dem Nektar auch gezielt den Blütenpollen (gut sichtbar an den sogenannten Pollenhöschen an ihren Hinterbeinen), während andere sich nur am Pollen und/oder Nektar satt fressen und den zufällig anhaftenden Pollen dann „absichtslos“ am Körper von Blüte zu Blüte weitertragen. Beispiele hierfür sind Käfer, Ameisen, Fliegen und Blattwanzen. Sogar Spinnen, die in Blüten auf Insekten lauern oder darüber ihre Netze spannen, können auf diese Weise zum Blütenbestäuber werden.
Blütenbesuche bei Tageslicht
Zuverlässige und weit verbreitete Bestäuber sind die Schwebfliegen. Um Blüten zu finden, orientieren sie sich über ihre gut entwickelten Augen und bevorzugen gelbe Blüten. Wer also Schwebfliegen anlocken will, sollte gelb blühende Arten pflanzen, wie die Färber-Hundskamille (Anthemis tinctoria). Doch auch der Pollen von Doldenblütlern wie Fenchel, Dill oder Kümmel ist bei Schwebfliegen sehr beliebt.
Foto: Tihomir Corba/Panthermedia
Gut erkennbar sind Schwebfliegen an ihrem typischen Flug: Mit einer Flügelschlagfrequenz von bis zu 300 Hertz können sie längere Zeit an Ort und Stelle „schweben“. Mit ihrem gelb-schwarz gestreiften Hinterleib ahmen sie das Aussehen von Wespen nach und täuschen damit Wehrhaftigkeit vor, können jedoch überhaupt nicht stechen.
Für viele überraschend ist, dass ausgewachsene Wespen ebenfalls überwiegend von Nektar, Pollen und Honigtau leben. Im Lauf der Evolution haben sich Pflanzen entwickelt, die man „Wespenblumen“ nennen kann, weil sie sich darauf spezialisiert haben, Wespen für ihre Bestäubung anzulocken. Der Biologe nennt das Sphecophilie. Die Pflanzen haben meist braune, grüne oder weißliche Blüten. In ihnen ist der Nektar leicht zugänglich, denn Wespen haben keinen Rüssel, um Nektar zu saugen. Beispiele für Wespenblumen sind Efeu (Hedera helix) und Braunwurz (Scrophularia).
Foto: Fauna Press/FLPA Images of Nature
Die Gemeine Florfliege (Chrysoperia carnea) ist uns allen als Nützling bekannt, denn ihre Larven, die Blattlauslöwen, fressen große Mengen an Blattläusen. Die erwachsenen (adulten) Tiere leben hingegen ausschließlich von Pollen, Nektar und Honigtau. Dazu besuchen sie eine große Anzahl von Blüten und tragen so zu deren Bestäubung bei.
Foto: Ritzel/Panthermedia
Ameisen sind in der Natur sehr nützliche Tiere. Genauso wie Wespen ernähren sie ihre Brut vorwiegend mit tierischer Beute. Sie selbst leben aber von zuckerhaltigen Stoffen wie Honigtau und Nektar. Dabei besuchen die Tiere auch Blüten und bestäuben sie durch zufällig anhaftenden Pollen.
Foto: thomaseder/Panthermedia
Foto: PantherMedia/Claus Weisenböhler
Auch Käfer können bestimmte Pflanzen bestäuben. Die an Käfer angepassten Pflanzen werden als „Käferblumen“ bezeichnet. Da sich die Käfer von Nektar und Pollen ernähren und dabei häufig die Staubblätter und Nektarien (Drüsen zur Abgabe von Nektar) mit ihren Beißwerkzeugen beschädigen, besitzen Käferblumen eine hohe Anzahl davon. Typische Beispiele sind Magnolien (Magnolia), Seerosen (Nymphea) und ungefüllte Rosen und Pfingstrosen. Wer auch schon einmal Rosenkäfer beobachtet hat, wie sie in den Staubgefäßen einer Blüte herumwühlen und dabei völlig eingestäubt werden, kann sich vorstellen, dass auch sie zur Bestäubung von Pflanzen beitragen.
Foto: Flora Press/Edition Phönix
Jeder liebt sie, die bunten Tagfalter, die auf vielen unserer Gartenblumen nach Nektar suchen und sich dabei an der Blütenfarbe orientieren. Schmetterlinge befinden sich in diesem Entwicklungsstadium am Ende ihres Lebens und sind dennoch nützlich, weil sie durch ihren Blütenbesuch eine große Anzahl von Blüten bestäuben.
Doch wer den bunten Falter mag, sollte auch bedenken, dass er mal als Raupe angefangen hat und auf bestimmte Futterpflanzen angewiesen ist. Das beste Beispiel ist die Große Brennnessel (Urtica dioica). Auf ihr entwickeln sich z.B. der Kleine Fuchs und das Tagpfauenauge.
Nächtliches Bestäubertreiben
Bei ihrer Futtersuche richten sich Nachtfalter in erster Linie nach dem Duft. Wir nehmen sie meistens nicht wahr, weil sie nicht so farbenfroh sind wie die Tagfalter. Pflanzen, die für diese Tiere attraktiv sind, öffnen erst in den frühen Abendstunden oder nachts ihre Blüten, die meistens hellgelb oder weiß sind und stark duften.
Am häufigsten in unseren Gärten anzutreffen ist wohl die Gamma-Eule (Autographa gamma). Erkennbar ist sie an dem auffälligen weißen Zeichen auf ihren Vorderflügeln, das dem Gamma aus dem griechischen Alphabet ähnelt. Ihre Raupen leben auf der Großen Brennnessel, auf Löwenzahn und Salat (Lattich-Arten).
Foto: nicolasprimola/Panthermedia
Das Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum) ist ein in Europa und Asien lebender Schmetterling, der in der Luft stehend mit seinem Rüssel Nektar aus Blüten saugt und daher bisweilen für einen Kolibri gehalten wird. Er gehört zu den Nachtfaltern, ist jedoch sehr häufig am Tag auf Nahrungssuche. Sein Rüssel ist fast 3 cm lang, sodass er an den Nektar von Blüten mit langem Kelch leicht herankommt. Gerne besucht er die Blüten von Geranien (Pelargonium), Lichtnelken (Lychnis), Hornveilchen (Viola cornuta) oder Flammenblumen (Phlox).
Wer Nachtfalter anlocken will, sollte auf jeden Fall die bei uns heimische Zweijährige Nachtkerze (Oenothera biennis) im Garten kultivieren. Die Blüten dieser Pflanze werden in den frühen Abendstunden etwa 30 Minuten nach dem Öffnen überwiegend von Nachtfaltern aus der Familie der Schwärmer angeflogen. Neben dem Taubenschwänzchen ist das der Mittlere Weinschwärmer (Deilephila elpenor), der in Mitteleuropa sehr häufig vorkommt. Seltener ist der Nachtkerzenschwärmer (Proserpinus proserpina), der wegen seiner Vorliebe für den Nektar dieser Pflanze seinen Namen bekam.
Foto: Fauna Press/Nature In Stock/Mart Smit
Bestäuber-Vielfalt erhalten
Alle oben aufgeführten Insekten bemerken wir oft erst im letzten Abschnitt ihres Insektenlebens. Um ihr Überleben zu sichern, ist es wichtig, auch ihre Larven oder Raupen zu kennen und die Pflanzen, von denen sie leben. So können wir die Vielfalt der Blütenbestäuber auf lange Sicht erhalten.
In der Natur gibt es kein „Gut oder Böse“. Die eine Art ist von der anderen abhängig. Was für uns ein Schädling ist, stellt für manche Tierart die Nahrungsgrundlage dar. Die Natur stellt immer ein Gleichgewicht her, in das wir als Gartenfreunde eingreifen. Das sollten wir jedoch umsichtig und damit nachhaltig tun – denn bei vielen Lebewesen ist ihr Nutzen für uns nicht immer auf den ersten Blick erkennbar.
Claudia Heger
Landesfachberaterin des Landesverbandes
Braunschweig der Gartenfreunde
Auch Wirbeltiere mischen mit
Es gibt sogar einige tropische und subtropische Pflanzenarten, die sich an eine Bestäubung durch Fledermäuse angepasst haben. Ihre Blüten duften intensiv, produzieren sehr viel Nektar und Pollen und öffnen sich meist nachts. Weil die bestäubenden Fledermausarten recht groß sind, haben diese Pflanzen, z.B. der in Mexiko heimische Kalebassenbaum (Crescentia cujete), große, robuste Blüten, die weit geöffnet sind. Sie sind für unser Auge eher unscheinbar, denn die Bestäuber fliegen nachts und orientieren sich durch Ultraschall und am Duft.
Und schließlich gehören auch Vögel zu den Blütenbestäubern: Die ausschließlich auf dem amerikanischen Kontinent lebenden Kolibris können mit ihrem schwirrenden Flug quasi in der Luft stehen und dabei mit ihrer langen Zunge den Blütennektar entnehmen. Den Pollen übertragen sie dabei meist mit dem Kopf. Da sich die kleinen Vögel vorwiegend optisch orientieren, haben die Blüten, die sie anfliegen (wie die Strelitzie, Strelitzia reginae), weithin leuchtende Farben und duften kaum, produzieren jedoch sehr viel Nektar.