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Nutzpflanzenvielfalt in Kleingärten

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‘Weiße Schönheit’ trifft ‘Gräfin von Paris’

Nutzpflanzenvielfalt in KleingärtenFoto: VEN Wachsende Vielfalt: In immer mehr Städten gibt es Saatgut-Tauschbörsen. Ein nasskalter Samstag im Februar: Der Frühling liegt noch in weiter Ferne, trotzdem haben sich an diesem Tag über 100 Hobby- und Kleingärtner auf den Weg in das Kulturzentrum Kukoon in Bremen gemacht. Sie wollen sich für den Start ins Gartenjahr rüsten und selbst gewonnenes Saatgut tauschen. Mit Samen der eigenen Lieblingspflanzen im Gepäck sind sie auf der Suche nach für sie neuen, besonderen Sorten, die ihr Gemüse- oder Staudenbeet bereichern. Vieles von dem, was die Gartenfreunde hier tauschen, gibt es im Baumarkt oder Gartencenter nicht zu kaufen.

„Mir ist der Erhalt alter, regionaler Sorten, die an die klimatischen Bedingungen hier angepasst sind, besonders wichtig“, erklärt Rike Fischer, Kleingärtnerin und Mit-Organisatorin der Saatgut-Tauschbörse, „Es geht uns hier um den Erhalt der Sortenvielfalt.“

Das bestätigt auch Carsten Siemering, der einen ganzen Stapel sorgsam verpackter und beschrifteter Umschläge mit Saatgut mitgebracht hat. Er ist aus­ge­bil­de­ter Fachberater, und auch ihm geht es darum, die Sortenvielfalt in den Kleingärten zu vergrößern. Er versucht sogar, alte Gemüsesorten auf seiner Parzelle zu erhalten. „Ich möchte mich nicht auf das Angebot einiger weniger Saatgut-Anbieter be­schrän­ken. Die alte Mohrrüben-Sorte etwa, die ich auf meiner Parzelle anbaue, kommt mit dem Lehm­bo­den dort prima zurecht. Die bekannten Sorten aus dem Gartencenter wurden bei mir dagegen nur 3 cm groß.“

Wie im Norden der Republik, so steht auch im Erzgebirge die Pflanzenvielfalt im Fokus des In­te­res­ses. Im Rahmen der Jahreshauptversammlung des Kreisverbandes der Kleingärtner Aue/Stollberg bietet Birgit Krause mit ihrer Saatgutbörse 300 Sorten zum Tauschen an. Dafür kooperiert sie sogar mit bota­nischen Gärten, die ihr Saatgut geben. Auch bei ihr gibt es Sorten, die Gartenfreunde nur schwer im Handel finden können. „Ich habe z.B. alte Tomatensorten aus Russland, die ich von Kleingärtnern bekommen habe. Diese Sorten sind viel besser für das raue Klima bei uns geeignet.“


Bedrohte Nutzpflanzenvielfalt

Ob nun die Zwiebelsorte ‘Braunschweiger Dunkelblutrote’ oder die Erdbeere ‘Eva Macherauch’ – viele der alten Nutzpflanzen sind vom Aussterben bedroht. Sorten oder Arten, die Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte in aller Munde waren, sind heute von den Feldern und aus den Gärten ver­schwun­den – oftmals unwiederbringlich. 

Die Vielfalt schwindet, da es jahrzehntelang nur darum ging, wie gut sich eine Gemüse- oder Obstsorte verwerten lässt, ob sie sich etwa gut lagern und transportieren lässt oder die Früchte alle gleichzeitig reif werden. Die Konzentration auf immer die gleichen Eigenschaften führt dazu, dass immer weniger Arten und Sorten angebaut werden.

Mit den verschwundenen Sorten gehen unverwechselbare Eigenschaften verloren, wie ein au­ßer­ge­wöhn­li­ches Aussehen oder ein besonderer Geschmack. „Bei einer großen Sortenvielfalt kann sich jeder aussuchen, was ihm besonders schmeckt, ob eine Tomate z.B. besonders süß oder mehr säuerlich ist. Meine Lieblingstomatensorte ist z.B. die ‘Weiße Schönheit’, sie hat kaum Säure und weißes Fruchtfleisch“, so Gunilla Lissek-Wolf von der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie arbeitet zurzeit an der Roten Liste der Nutzpflanzen mit, ist Kleingärtnerin und im Vorstand des VERN (Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg) aktiv.


Erhalt durch Nutzung

Der Tausch von alten oder weniger bekannten Sorten unter Kleingärtnern ist ihrer Meinung nach wichtig für den Erhalt der vom Aussterben bedrohten Sorten. In Kleingärten kann zwar aufgrund der Gefahr von Durchkreuzungen nur schwer eine sortenreine Erhaltungszucht durchgeführt werden, aber darum geht es auch nicht. „In den Kleingärten können die alten Sorten durch die Nutzung erhalten werden. Dadurch, dass man sie tauscht, dass man seinem Nachbarn erzählt, warum sie toll sind, etwa, warum sie so gut schmecken“, so Lissek-Wolf.

Besonders alte Obstsorten werden in den Kleingärten bewahrt. „In vielen Anlagen stehen ja alte Bäume, die von den Fachberatern gepflegt werden“, erklärt Lissek-Wolf. „Bei den alten Obst­ge­höl­zen ist die Vielfalt in den Anlagen sicher größer als bei den Gemüsepflanzen. Da ist die Kul­ti­vie­rung ja auch einfacher, und die Sorten sind leichter erhältlich. Gerade die alten Obstsorten lassen sich besonders vielfältig nutzen. Äpfel lassen sich gut zu Apfelmus verarbeiten oder besonders lange lagern. In unserem Verbandsgarten haben wir z.B. die Birnensorte ‘Gräfin von Paris’, auf die ich immer ganz wild bin. Die lässt sich so gut lagern, dass sie erst im Dezember reif wird. Die Birnen werden dann saftig und süß, sodass ich meinen Weihnachtsgästen immer herrlich frische Birnen servieren kann.“


Wachsende Vielfalt

Wie groß die Kulturpflanzenvielfalt im Allgemeinen in den Kleingärten ist, hat eindrucksvoll die Studie „Biodiversität der Kulturpflanzen in Kleingärten“ unter Beweis gestellt, die von Wissenschaftlern der Universität Kassel in Zusammenarbeit mit dem Bun­des­ver­band Deutscher Gartenfreunde (BDG) in den Jahren 2002 bis 2006 durch­geführt wurde. Bundesweit fanden die Begehungsteams dabei 2094 Kulturpflan­zenarten aus 170 Pflanzenfamilien – eine Vielfalt, die es so in keinem anderen Grün­bereich gibt.

Und die Vielfalt wächst: In immer mehr Städten werden etwa Saatgutbörsen veranstaltet, die auch von Kleingärtnern be­sucht werden. Mit der Vielfalt der Nutzpflanzen wächst auch der Wert, den Klein­gartenanlagen für den Erhalt der Nutzpflanzenvielfalt haben. „Ich denke, Kleingärten sind auf jeden Fall wichtig für den Erhalt der Agrobiodiversität, aber daran müssen wir auch weiter ar­bei­ten“, so Birgit Krause.

„Ich finde, Pflanzenanbau ist so etwas Spannendes, ich kann die Gartenfreunde nur dazu er­mun­tern, auch mal Sorten an­zubauen, die sie nicht kennen. Dann sind die Bohnen eben nicht nur grün, sondern auch mal lila!“ Demnächst wird sie ihre Tauschbörse deswegen auch auf der IGA in Berlin aufstellen. Und auch in Bremen will man im nächsten Jahr wieder eine Tauschbörse veranstalten. „Wir freuen uns darauf, dass die Leute dann vielleicht das Saatgut von Pflanzen mitbringen, die aus dem Saatgut aus diesem Jahr vermehrt wurden“, hofft Rike Fischer. Dann gibt es vielleicht wieder ein paar Sorten mehr in unseren Kleingärten.

 

Rote Liste der Nutzpflanzen

Rote Liste der Nutzpflanzen - Ewiger KohlFoto: www.prospecierara.deDie wenigsten Gartenfreunde wissen, dass es auch eine „Rote Liste der Nutzpflanzen“ gibt. Immerhin sind mittlerweile 75 % der Kulturpflanzen verloren gegangen. Besonders lokale einjährige Arten, die sich nur schwer maschinell ernten lassen, verschwinden. 156 Arten stehen aktuell auf der deutschen Liste, darunter etwa die Küchenzwiebel ‘Hallstadter birnenförmige Zwiebel’ oder der Strauchkohl ‘Ewiger Kohl’ (Foto). Die aktuelle Liste können Sie auf der Internetseite des Informations- und Koordinationszentrums für Biologische Vielfalt der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung einsehen: https://pgrdeu.genres.de
 

 

Sören Keller
Verlag W. Wächter

 

 

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