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Nützlinge im Porträt: Schwebfliegen

HainschwebfliegeFoto: blickwinkel/W. Layer Eine der häufigsten Arten, die in unseren Gärten vorkommen, ist die Hainschwebfliege.

Die schönen, filigranen Schwebfliegen sind wohl jedem Gartenfreund schon begegnet. Häufig kommt es allerdings zu Verwechslungen, da einige Schwebfliegenarten aufgrund ihrer schwarz-gelben Zeich­nung für Wespen gehalten werden. Kommen die Tierchen einem dann zu nahe, führt das oft zu heftigen Abwehrreaktionen. Schließ­­lich will man ja nicht gestochen werden! Dabei können Schweb­fliegen überhaupt nicht stechen. Schwebfliegen erwecken lediglich den Anschein, gefährlich zu sein.

Mimikry nennt man die Eigenschaft, etwas Gefährliches, Giftiges oder Ungenießbares nach­zu­ah­men. Diese Täuschung soll aber nicht uns Menschen verwirren, sondern ist als Schutz vor Fressfeinden gedacht. So wird die Schwebfliege davor bewahrt, von Vögeln vertilgt zu werden, weil diese evtl. früher schon mal unangenehme Erfahrungen beim Verzehr von schwarz-gelb gezeichneten Insekten gemacht haben.


Was unterscheidet Schwebfliegen von Wespen?

Wespen gehören zur Insektenordnung der Hautflügler und haben die für diese Insektenordnung typischen zwei Flügelpaare. Außerdem weisen sie eine Wespentaille auf, und die Weibchen besitzen einen Wehrstachel. Schwebfliegen hingegen gehören zur Ordnung der Zweiflügler und bilden dort zusammen mit den Mücken die Unter­ord­nung der Echten Fliegen. Hier stellen sie eine eigene Familie, die Familie der Schwebfliegen (Syrphidae).

Die Familie der Schwebfliegen ist sehr artenreich. In der Fach­lite­ratur findet man Angaben, dass es in Deutschland 350–450 Schwebfliegenarten geben soll. Übrigens sind längst nicht alle Insekten dieser Familie gelb-schwarz gezeichnet, man findet Farbvariationen von weiß-schwarz, orange-schwarz bis hin zu fast durchgehend schwarz.

Nicht alle Arten haben die Gestalt einer Wespe. Manchmal sind sie gedrungen und ähneln einer kleinen Hummel, einer Biene oder einer Pelzbiene. Einige Arten sind nackt, andere behaart. Ihr Größen­spek­trum reicht von 5–20 mm.

Eines haben aber alle gemeinsam: Sie besitzen – wie alle Echten Fliegen – nur ein Flügelpaar und haben im Verhältnis zum Kopf sehr große Augen. Bei den Männchen liegen die Augen übrigens deutlich enger zusammen (teilweise stoßen sie zusammen) als bei den Weibchen. Außerdem haben Schwebfliegen keine Wespentaille und keinen Wehrstachel. Sie können also wie gesagt nicht stechen.

Etwas anderes aber können alle Schwebfliegen besonders gut: Sie können wie ein Hubschrauber oder Kolibri auf der Stelle fliegen. Dieser Eigenschaft verdanken sie ihren Namen Schweb- oder auch Schwirrfliege. Besonders beeindruckend ist, dass eine Schwebfliege aus diesem „Schwe­be­zu­stand“ heraus plötzlich blitzschnell die Position ändern kann. Wie ein Hase schlägt sie unvermittelt Haken und befindet sich im nächsten Moment an ganz anderer Stelle als zuvor. Die Frequenz der Flügel ist so hoch (bis 300 Schläge/Se­kun­de), dass eine Auflösung dieser Bewegungen mit dem Auge unmöglich ist.


Fleißige Blütenbestäuber

Schwebfliegen weisen nicht die für Wespen typischen Mund­werk­zeuge (Mandibeln) auf, sondern besitzen einen kleinen „Leckrüssel“, über den sie ihre Nahrung leckend und saugend aufnehmen. Sie sind emsige Blütenbesucher. In ungefüllten Blüten finden sie ihre Nahrung, bestehend aus Blütennektar und Pollen. Das macht sie zu bedeutenden Blütenbestäubern.

Während die Nahrung für alle vollentwickelten Schwebfliegen (Ima­gi­nes) gleich ist, ernähren sich die Larven der unterschiedlichen Arten sehr unterschiedlich. Eine Gruppe Schwebfliegenlarven ernährt sich von Pflanzensäften, eine weitere von Schlamm und zerkleinerter organischer Substanz aus Jauche. Andere Larven entwickeln sich auch in Tierkot, aus dem sie ihre Nahrung entnehmen. Rund ein Drittel der Schwebfliegenlarven aber lebt räuberisch und ernährt sich überwiegend von Blattläusen. Auf die Lebensweise dieser in unserem Sinne nützlichen Arten möchte ich hier näher eingehen.


Blattlausfressende Larven

Blattläuse vertilgen die Lar­venFoto: blickwinkel/A. Schulte Mehrere hundert Blattläuse vertilgen die Lar­ven einiger Schwebflie­gen­ar­ten während ihrer Entwicklungszeit. Die Paarung der Schweb­flie­gen erfolgt meistens im Flug, kurz danach sterben die Männchen. Ungefähr drei bis vier Wochen nach der Kopulation legen die Weibchen ihre gerade mal 1 mm großen, länglichen, netzartig strukturierten Eier zielgerichtet in der Nähe von Blattlauskolonien ab. In der Fachliteratur finden sich Angaben, dass ein Weib­chen je nach Schweb­flie­gen­art 500 bis 1000 Eier ablegt. Die Menge der Eier richtet sich nach der Größe der Blattlauspopulation. Je höher die Anzahl der Blatt­läuse, desto mehr Eier werden abgelegt. Eine wirk­lich verblüffende Leistung, die das Insekt hier voll­bringt.

Nach wenigen Tagen schlüpfen winzige fußlose Larven, die weiß-gelblich bis grünlich gefärbt sind. Die Larven sind blind und verjüngen sich zum Kopfende hin. Ein wenig erinnern sie vom Aussehen und von der kriechenden Bewegung her an kleine Nacktschnecken, zumal sie auch mit einer schleimartigen Masse benetzt sind, welche ihnen das Vorwärtskommen erleichtert.

Zur Nahrungsaufnahme schlagen sie blind mit dem Oberkörper herum, bis sie auf eine Blattlaus treffen. Diese wird mit Speichel festgehalten und hoch­ge­ris­sen. Dann schlägt die räuberische Larve ihre Mundhaken in die Beute und saugt sie aus. Die leere Blattlaus­hülle wird einfach weggeschleudert.

Die Larven sind nacht- und dämmerungsaktiv. Acht bis 20 Tage dauert ihre Entwicklung. Die Dauer ist abhängig von Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Drei Larvenstadien durchlaufen sie in dieser Zeit. Im letzten Stadium hat die Larve eine Größe von 10–15 mm erreicht. Jetzt ist sie ein sehr effektiver Blattlausbekämpfer und vertilgt 50 bis 60 Blattläuse täglich.

Mehrere hundert Blattläuse erbeutet eine Schwebfliegenlarve in ihrem Larvenleben, bis sie sich in der letzten Larvenhaut verpuppt. Die kleinen Puppen sind von tropfenähnlicher Gestalt und kleben an Blättern. Nun dauert es noch ca. sieben bis zehn Tage, bis die Umwandlung (Metamorphose) zum vollständig entwickelten Insekt abgeschlossen ist und eine Schwebfliege die Puppenhülle verlässt.


Schwebfliegenarten im Garten

 

Die Zuordnung der einzelnen Schwebfliegenarten ist, wenn man nicht ausgebildeter Entomologe (Insektenkundler) ist, eine schwierige Angelegenheit. So muss zur Identifizierung der Arten u.U. die Äderung der Flügel unter die Lupe genommen werden. Wer sich damit beschäftigen möchte, muss ein gutes Artenlexikon für Schwebfliegen zu Hilfe nehmen und viel Zeit und Muße für Beo­bach­tun­gen haben. Interessierte Gartenfreunde können sich unter www.natur-in-nrw.de über 50 detail­lier­te Beschreibungen von Schwebfliegenarten anschauen. Viele der hier beschriebenen Arten kom­men nicht nur in Nordrhein-Westfalen vor.


Hainschwebfliege

Hainschwebfliege an MohnblütenFoto: Kerpa Hainschwebfliegen laben sich z.B. gerne an Mohnblüten.

Eine der häufigsten Arten, die in unseren Gärten vorkommen, ist die Hainschwebfliege, auch Gemeine Winterschwebfliege genannt. Um auf ihre Nützlichkeit als Blattlausgegenspieler hinzuweisen, wurde sie 2004 zum „Insekt des Jahres“ gekürt. Ihr Hinterleib ist gelb bis orangegelb und weist eine recht eindeutige Zeichnung von unregelmäßigen breiten und schmalen, schwarzen Querbändern auf.

Die ca. 10 mm große Hainschwebfliege können wir von Anfang März bis in den November hinein auf vielen Blütenpflanzen beobachten. Auf Doldenblüten finden sich manchmal bis zu zehn Insekten ein. Es kommen drei bis fünf Generationen pro Jahr vor. Die Überwinterung erfolgt als Vollinsekt. An milden Wintertagen kann man sie im Garten fliegen sehen, daher der Name Winterschwebfliege.

Hainschwebfliegen gehören zu den „Wanderschwebfliegen“. Das bedeutet, dass sich manchmal eine große Anzahl dieser Insekten im Spätsommer zu einem Flug in südlichere Gefilde zu­sam­men­fin­det und die Alpen überquert. Im Frühjahr kehren sie zurück. Hain­schweb­flie­gen­larven werden auch von Nützlingsanbietern gezüchtet und vermarktet. Sie werden im Ei- oder Larvenstadium geliefert und in Gewächshäusern zur Bekämpfung von Blattläusen eingesetzt.


Große Schwebfliege

Große SchwebfliegeFoto: Kerpa Auch die Große Schwebfliege begegnet uns oftmals im Garten.

Die Große Schwebfliege, auch Gemeine Gartenschwebfliege ge­nannt, hat einen schwarzen Hin­ter­leib mit drei gelben Binden, von denen die erste in der Mitte unterbrochen ist. Die nachfolgenden Binden sind durchgängig. Das 10–12 mm große Insekt fliegt von April bis in den Oktober und ist wohl überall in Deutschland anzu­treffen. Doldenblütler, Hahnenfußgewächse und blühende Wild­ge­hölze werden gerne zur Nahrungsaufnahme angeflogen. Die Larven sind emsige Blatt­laus­ver­til­ger. Es treten mehrere Generationen pro Jahr auf.


Schwebfliegen fördern

Ringelblumen und KornblumenFoto: Breder Mit Ringelblumen und Kornblumen können Sie Schwebfliegen fördern. Schwebfliegen reagieren empfindlich auf den Einsatz von Insek­ti­zi­den. Wer gegen Schädlinge spritzt, sollte unbedingt auf nützlings­schonende Mittel zu­rück­grei­fen. Bedenken Sie aber, dass jeglicher Insektizid-Einsatz zu indirekten Schädigungen der Schwebfliegen führt, da es zu einem verringerten Nahrungsangebot für die Larven kommt.

Als Blütenbesucher sind die Insekten auf ein breites und dauerndes Blütenangebot angewiesen. Besonders attraktiv sind für Schweb­flie­gen z.B. Ringelblumen (Calendula), Kornblumen (Centaurea cyanus), Klatsch­mohn (Papaver rhoeas), Sonnenblumen (Helianthus), Glockenblumen (Campanula), verschiedene Distel-Arten, Beinwell (Symphytum) und Bie­nen­wei­de (Phacelia). Diese Pflanzen sind übrigens auch für Florfliegen, Solitärbie­nen und Hummeln interessant. Legen sie doch mit den zuvor genannten Pflanzen einen „Nützlingsstreifen“ oder eine kleine „Nützlings­wie­se“ an, um die Tiere anzulocken.

Auch Insekten brauchen Wasser. Eine kleine Insek­ten­tränke oder ein kleiner Naturteich machen unseren Garten noch attraktiver für die kos­ten­lo­sen Schäd­lings­be­kämpfer.

Klaus-Dieter Kerpa