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Nützlinge im Porträt: Wildbienen

Rote MauerbieneFoto: Fockenberg Das Weibchen der Roten Mauerbiene hat eine Bauchbürste, in der es Blü­tenpollen sammelt. In diesem Beitrag wollen wir Ihnen zeigen, wie nützlich Wildbienen im Garten sind. Doch zunächst zum Begriff Wildbiene: Er verleitet vielleicht dazu, an beson­ders wilde, stechwütige Bienenarten zu denken oder daran, dass es sich bei ihnen um Bienen handelt, die dem Imker entflohen sind. Doch weit gefehlt: Alle Wildbienen-Arten sind vollkommen friedfertig, und wer sich mit ihnen beschäf­tigt, wird fasziniert sein.

Wildbienen gehören wie die Honigbienen zu den Haut­flüglern (Hymenoptera). Alle Hautflügler besitzen zwei häutige Flügelpaare. Zu ihnen zählen z.B. auch viele Wespenarten, Hornissen und Ameisen. Innerhalb der Hautflügler bilden die Bienen eine eigene „Überfamilie“. In Deutschland kommen ca. 580 Bienenarten in sieben Familien vor. Die meisten dieser Bienenarten leben aber nicht wie die Honigbiene in Staaten, sondern alleine. Als Abgren­zung zur Honig­biene werden sie Wildbienen genannt.

Zu den Wildbienen gehören zudem die Hummeln. Sie bilden zwar auch Staaten, jedoch handelt es sich hierbei um „Sommerstaaten“, von denen lediglich die Jungköniginnen den Winter überleben. Alle anderen Wildbienenarten sind einzeln lebende Bienen. Sie werden daher auch Einsiedlerbienen, Soli­tär­bie­nen oder Singlebienen genannt.


Die Rote Mauerbiene

Von den zu den Wildbienen gehörenden Mauerbienen kommt in unseren Gärten am häufigsten die Rote Mauerbiene (Osmia rufa syn. O. bicornis) vor. Das Weibchen ist mit 9–12 mm etwa so groß wie eine Honigbiene. Ihr Hinterleib ist oberseits rotbräunlich gefärbt. Kopf und Bruststück sind dunkel. Mauerbienen sind Bauch­sammlerbienen. Sie sammeln Blütenpollen mit einer speziellen „Bauch­bürste“ unter dem Hinterleib. Bei der Roten Mauerbiene ist diese Bauchbürste im ungefüllten Zustand dicht gelbbraun behaart.

Die Männchen der Mauerbienen sehen deutlich anders aus. Sie sind kleiner, haben größere Fühler und weisen eine sehr helle Gesichts­behaarung auf, sodass man meinen könnte, sie hätten einen weißen Bart. Sie haben außerdem keine Pollensammelhaare und keinen Stachel.

Von Anfang April bis weit in den Juni hinein können wir Mauerbienen in unseren Gärten be­o­bach­ten. Wobei die Männchen einige Tage vor den Weibchen erscheinen. Sie sammeln sich bevorzugt an den Nistplätzen und warten dort auf die schlüpfenden Weibchen. Sobald ein Weibchen auf­taucht, wird es vom Männchen umklam­mert, und es kommt zur Paarung.

Nach der Begattung suchen die Weibchen geeignete Hohlräume, um darin ihre Nester zu errichten. Hierfür kommen recht vielfältige Orte infrage, z.B. Löcher oder Ritzen im Putz oder Mauerwerk von Haus­wänden, Schwitzwasserröhrchen an Fenstern, Löcher an Garten­stüh­len, ein Stück Gummi­schlauch, Schilfmatten oder Käfer­fraß­gänge in morschen Bäumen.

Sobald ein geeigneter Nistplatz gefunden ist, trägt das Weibchen (die Männchen beteiligen sich übrigens nicht an diesen Arbeiten) Pollen und Nektar in die Hohlräume ein. Dabei wird der Pollen mit der Bauchbürste und der Nektar im Kropf transportiert. Mutter Biene krabbelt nun zunächst vorwärts in den Nestgang, gibt den Nektar ab, kriecht zum Eingang zurück, wendet und schlüpft nun rückwärts in den Hohlraum, um den Pollen aus der Bauchbürste abzustreifen.

Entwicklung der Roten MauerbieneFoto: Fockenberg Entwicklung der Roten Mauerbiene in Niströhren: oben die abge­leg­ten Eier, in der Mitte die Larven, unten die Kokons, aus denen die neue Generation schlüpft.

Dieser Vorgang wird zehn- bis 15-mal wiederholt bis genügend Gemisch an „Bienenbrot“ (so die Bezeichnung für die Larvennahrung aus Blütenstaub und Nektar) für ein Bienenkind zu­sam­men­ge­tra­gen ist. Sodann legt die Mauerbiene ein winziges, weißliches Ei auf den Nahrungsvorrat und errichtet am Ende dieser Kammer eine Mauer. Als Baumaterial dient Lehm, der mit Speichel geschmeidig gemacht wird. Hierfür benötigt das Weibchen ca. einen Tag.

Nach und nach baut die Mauerbiene weitere solche Nistkammern, die durch Lehmwände getrennt sind. Je nachdem, wie viel Platz zur Verfügung steht, können so bis zu 20 Brutzellen angelegt werden. Nachdem die letzte Nistkammer fertig ist, baut die Biene zwischen der letzten Brutzelle und dem Nestverschluss eine Leerzelle. Diese bietet den Bienenkindern Schutz vor Feinden. So erbeuten Meisen nach Aufhacken des Nestverschlusses keine fette Bienenmade, sondern „gucken in die Röhre“. Ungefähr 20–40 Brutzellen baut ein Weibchen während seiner vier- bis sechs­wöchi­gen Flugzeit.

Etwa zehn Tage nach der Eiablage schlüpft eine kleine beinlose Larve, die sich von dem Bie­nen­brot ernährt. Nach drei bis vier Wochen ist der gesamte Vorrat aufgefressen, und die Larve spinnt nun einen tönnchenförmigen dunkelbraunen Kokon, in dem sie sich verpuppt.

Etwa Anfang September erfolgt die Umwandlung von der Puppe zur Biene, die aber bis zum Flugbeginn im April des folgenden Jahres im schützenden Kokon verbleibt. Im Frühjahr nagen sich die Bienen durch Kokon und Lehmwände. Die Männchen schlüpfen einige Tage vor den Weibchen, und eine neue Bienengeneration steht in den Startlöchern.


Wichtige Bestäuber

Mauerbienen sind hervorragende Bestäuber für unsere Gartenkul­tu­ren. Die Rote Mauerbiene bestäubt z.B. Obstgehölze wie Apfel, Birne, Sauerkirschen und Pflaume, Himbeere, Brombeere und Stachelbeere, darüber hinaus auch viele Wildpflanzen. Mauerbienen fliegen bereits bei deutlich niedrigeren Temperaturen als Honigbie­nen, und sie besuchen in der gleichen Zeitspanne we­sent­lich mehr Blüten als Honigbienen. Vor Stichen braucht sich auch niemand zu fürchten: Alle Mauerbienen-Arten sind friedliebend und stechen nicht.

Wollen Sie den Tieren Gutes tun, dann lassen Sie in Ihrem Garten Platz für heimische Gewächse. Bevorzugen Sie blütenreiche Pflan­zen, die Nektar und Pollen liefern. Verzichten Sie, wo immer es geht, auf Pflanzenschutzmittel. Und bieten Sie den Tieren geeig­ne­te Nisthilfen an.


Einfache Nisthilfen bauen

NisthilfenFoto: Verlag W. Wächter/Schütt Aus Bambusröhrchen lassen sich einfache Nisthilfen herstellen. Hierfür sägt man Bambusrohre in verschiedenen Stärken (Durch­messer 3–8mm) auf eine Länge von 10–15 cm ab, und zwar so, dass eine Seite des Röhrchens durch den natürlichen „Knoten“ des Bambus verschlossen ist. Diese Röhrchen werden in die Öffnungen eines Lochziegelsteines oder in Bohrlöcher gesteckt, die man in einen kleinen Holzklotz gebohrt hat.

Die Bambusröhrchen müssen in den Holzklotz oder Lochziegelstein eingeklebt oder so verklemmt werden, dass sie nicht durch Vögel herausgezogen werden können. Hierfür eignet sich Schmelzkleber, den man mit der Klebepistole aufträgt, oder einfach Gips. Man kann die Bambusröhrchen auch bündeln und mit einem Draht aufhängen.

Eine etwas „komfortablere“ und auch besser geschützte Nisthilfe stellt folgende Variation dar: Die Bambusabschnitte werden in eine leere Konservendose gesteckt. Auch hierbei die Röhrchen bitte gut einklemmen bzw. ankleben oder eingipsen. Anstelle von Bambus lassen sich z.B. auch Stroh­hal­me, Schilf, hohle Pflanzenstängel von Stauden, ausgehöhlte Himbeerruten oder Ho­lun­der­zwei­ge ver­wen­den.

Als Nisthilfen eignen sich auch Klötze aus Hartholz (z.B. Eiche, Buche, Esche), in die Löcher mit einer Tiefe von mindestens 10 cm und einem Durchmesser von 2–10 mm gebohrt werden. Hierbei ist folgendes zu beachten:

  • Die Mehrzahl der Löcher sollte vorzugsweise einen Durch­messer von 4–8 mm aufweisen.  
  • Beim Bohren darauf achten, dass die Drehzahl der Bohr­ma­schine möglichst hoch gestellt ist, damit die Wände glatt sind.
  • Bohren Sie mit ganz leichter Neigung von unten nach oben, sodass später kein Regenwasser hineinlaufen kann.
  • Bohren Sie so tief, wie die Bohrer lang sind (aber nicht durchbohren).
  • Der Abstand zwischen den Löchern sollte mindestens 2 cm betragen.
  • Bohrmehl gut ausklopfen.

Weichholz oder harzende Hölzer wie Fichte oder Tanne sind für diese Zwecke absolut ungeeignet, auch darf das Holz im Bereich der Löcher keinerlei Risse aufweisen, die Parasiten den Zugang erleichtern.


Nisthilfen richtig aufhängen

Die Nisthilfen sollen frei anfliegbar sein und möglichst starr befestigt werden. Im Wind schwan­ken­de Wohnungen sind bei Wildbienen nicht besonders beliebt. Der Platz sollte sonnig aus­ge­rich­tet und vor direktem Regen geschützt sein. Evtl. kann man die Nisthilfe auch mit einem kleinen Dach versehen. Auch der Handel bietet zahlreiche Nisthilfen an.

An Nisthilfen wie oben beschrieben können sich zahlreiche Wild­bie­nen-Arten, darunter vor allem Mauerbienen, einfinden, besonders die zuvor beschriebene Rote Mauerbiene, die Nistkammern mit einem Durchmesser von 6–8 mm annimmt. Aber auch die Gehörnte Mauerbiene, die Blaue Mauerbiene, die Scherenbiene und andere Arten nutzen diese Unterkünfte für ihren Nachwuchs.


Auch Wildwespen werden gefördert

Darüber hinaus können sich an Nisthilfen für Wildbienen auch Wildwespen einfinden. Diese staatenlosen Wespenarten haben eine ähnliche Lebensweise wie ihre Verwandten, die Ein­sied­ler­bie­nen. Es gibt allerdings einen ganz entscheidenden Unterschied: Wildwespen wie auch die staatenbildenden Wespenarten (z.B. Deutsche Wespe, Gemeine Wespe, Sächsische Wespe) ver­sor­gen ihre Brut mit fleischlicher Kost. Sie befüllen also ihre Nistkammern mit Insekten, wie z.B. Blattläusen, Fliegen oder Raupen. Einige Arten bevorzugen auch Spinnen. Von diesen Tierchen ernähren sich dann die Wildwespenlarven.

Wenn man mal von den Spinnen absieht, die wir zu den Nützlingen zählen können, besteht der Speiseplan der Einsiedlerwespen überwiegend aus Schadinsekten. Wildwespen sind also wichtige Regulatoren im Naturhaushalt und helfen uns bei der Schädlings­be­kämpfung.

An unseren Nisthilfen für Wildbienen können vor allem verschiedene Lehmwespenarten, Blatt­laus­grab­wespen und Töpfergrabwespen vorkommen. Wer Wildbienenschutz betreibt, fördert also auch Wildwespen. Übrigens sind auch Wildwespen sehr friedfertig und stechen nicht. Und sie kommen auch nicht zu Besuch an die Kaffeetafel im Garten. Mit Pflaumenkuchen können sie nichts an­fan­gen.

Klaus-Dieter Kerpa

 



Nützliche Links:

www.wildbienen.info
www.wildbiene.com
www.wildbienen.de

 


 

Unser Literaturtipp

„Wild­bienen. Die anderen Bienen.“Westrich, Paul: „Wild­bienen. Die anderen Bienen.“
168 Seiten, 479 Farbabbildungen und eine Schwarzweiß­ab­bildung.
Verlag Dr. Friedrich Pfeil, Mün­chen.
Preis: 19,80 Euro.
ISBN 978-3-89937-136-9.

Anhand einzigartiger Fotos führt uns der Autor in die faszinierende Welt der heimischen Wildbienen, von denen allein in Deutschland mehr als 550 Arten nachgewiesen wurden. 92 Arten sind in diesem Buch abgebildet. Sand- und Seidenbienen, Mauer- und Scherenbienen, Langhorn- und Pelzbienen und nicht zuletzt die Hummeln zeigen eine ausgeprägte und ungemein vielfältige Brutfürsorge.

Die hat Paul Westrich in einem Zeitraum von über 30 Jahren gründlich erforscht und fotografisch dokumentiert. Der Verfasser zeigt uns mit einer Auswahl seiner besten Bilder, mit welchen Materialien Wildbienen ihre bewundernswerten Nestbauten er­richten und wie vielfältig ihre Beziehungen zur Pflanzenwelt sind. Ausführlich erklärt er zudem, welche Wildbienen man im Garten, auf Balkon oder Terrasse mit Nisthilfen erfolgreich ansiedeln kann, wie diese Blü­ten­be­sucher mit bestimmten Pflanzen angelockt und gefördert werden können und welche spannenden Beobachtungen man dabei selbst machen kann. Auf diese Weise kann jeder zur Erhaltung der Wildbienen beitragen, die für die Bestäubung unserer Nutz- und Wildpflanzen unersetzliche Dienste leisten.