- Kleingartenwesen
Naturnah oder verwildert?
Foto: Flora Press/Meyer-Rebentisch
Die Gartenkultur zeigt mit ihrer Entwicklung durch die Zeiten eine weite Spanne: Gestaltung gegen die Natur und mit ihr. Ein Ideal, aber nicht für alle, waren die Barockgärten. Diese beeindruckten durch Naturferne: abgezirkelte Wege, Bäume und Büsche, deren Wachstum so gelenkt wurde, dass sich dem staunenden Betrachter jeder Gedanke an „Natur“ verschloss. „Barock“ mit seinem uns übersteigert anmutenden Gestaltungswillen führt heute nur noch ein museales Dasein.
Ein neues Ideal
Wir kennen dagegen die Haus-, Versorgungs- und unsere Kleingärten. Ein sich wandelnder Gestaltungswille ist auch hier erkennbar, immer stärker tritt bei uns das Ideal „Naturnähe“ in den Vordergrund. Als „Gegenentwurf“ zu jeglicher Gartenkultur kennen wir leider aber auch den ohne Konzept wuchernden Garten. Er hat eine hartnäckige Konjunktur, ihr gilt es entgegenzutreten.
Der „herkömmliche“, gepflegte Garten, nennen wir ihn konservativ, hat viel für sich und ist keineswegs „spießig“. Der klassische Kleingarten kommt aus einer Zeit, in der sich noch nicht viele Menschen Gedanken über Naturnähe machten – Kleingarten-Familien mussten sich versorgen, beim Gärtnern regierten das Prinzip „Ordnung“ und das Interesse an einem ergiebigen Ertrag. Gab es zum Beispiel ein „Wundermittel“, gleichgültig wofür oder wogegen, hat man es eingesetzt – bedenkenlos, fortschrittsgläubig. Das hat sich stark geändert. Der Kleingärtner verlässt mehr und mehr seine mentale „Rechtwinkligkeit“, er macht Ernst mit naturnahen Ideen in der Gartengestaltung, die Ordnung wird „natürlicher“.
Naturnähe durch Gestaltung
Mit steigendem Verständnis für die Umwelt tritt also ein Wandel ein, er stärkt die Idee des naturnahen Gärtnerns. Seine Umsetzung erfordert viel Nachdenken und viel Arbeit – immer am Puls der Natur. Naturnähe ist kein Synonym für Wachstum auf Gedeih und Verderb, sondern bedeutet natürliche Gestaltung.
Foto: Flora Press/Ute Klaphake
Der Wirsing im Blumenbeet, ein vermeintlicher Widerspruch, kann einen ungewöhnlichen Akzent setzen. Als Komponenten des naturnahen Gartens bieten sich an: Blühwiese, Steinhaufen, Totholz – kurz, Lebensräume für Tiere. Dazu gehören Nistkästen ebenso wie ein „Insektenhotel“. Der Boden wird schonender bearbeitet, Verzicht auf Chemie und auf Torf sind Selbstverständlichkeiten. Im naturnahen Garten lebt die kleingärtnerische Nutzung auf natürliche Weise, in der „Wildnis“ ist das nicht möglich.
Wildwuchs ist kein Gärtnern
Wildwuchs auf der Parzelle ist ein grundlegender Irrtum. Gestaltung und Natur schließen sich nicht aus. Aber der eine oder andere Pächter, der lieber das Wachsen auf seiner Parzelle beobachtet, anstatt gärtnerisch einzugreifen, fühlt sich gerade bei „so viel Natur“ besonders naturnah. Dabei fördert man die Biodiversität in einem naturnahen Garten viel mehr als in einem verwilderten, etwa weil sonst die starkwüchsigen Pflanzen alles überwuchern würden.
Vom Gärtnern hat er sich weit entfernt, auch und gerade vom naturnahen. Er lässt wild etwas miteinander oder auch gegeneinander wachsen und sich verdrängen, was sich nicht grün ist. So geht eine Saat auf, die das ursprüngliche Konzept überwuchert, und das Verständnis für das Gärtnern wird geschwächt. Aber was naturnah sein soll, ist Wildwuchs (ohne lästiges Handanlegen). Fände sich hier ein Motiv, so wäre es kein gärtnerisches. Und wo kein Gärtner ist, wo ist da der Garten? Wildwuchs ist kein Konzept!
Zu großer Gestaltungswille auf der einen – auf der anderen Seite keiner. Neigt man einer Art dieser „Höllen“ zu, hat man ein Paradies verloren. Die Naturnähe ist der richtige Weg – man muss sie wollen und können. Aber das ist ein Kapitel für sich.
Der Irrweg bietet einen Ausweg: die Kehrtwende. Sie ist jedem Einsichtigen möglich; hier scheiden sich nicht die Geister, sondern es trennt sich die Spreu vom Weizen.
Jens Carstens
Vorsitzender des Kreisverbandes
Stormarn der Kleingärtner