- Tiere im Garten
Wanzen: Waldwächter und Jäger
Foto: Michel Rauch/Biosphoto
Rote Mordwanze
Wanzen haben einen schlechten Ruf. Das liegt zum einen an der Bettwanze, die zu Recht unbeliebt ist, und zum anderen an der Eigenschaft mancher Wanzenarten, gleich als Hundertschaft aufzumarschieren, wie es Feuer- und Lindenwanzen zu tun pflegen. So etwas erregt grundsätzlich großes Misstrauen, obwohl beide Arten völlig harmlos sind.
Andere Wanzenarten werden im Herbst zu Hausbesetzern und möchten den Winter geschützt in der Wohnung verbringen, wie die Marmorierte Baumwanze, die zudem auch noch eine eingeschleppte Art ist. Sie und die Grüne Reiswanze treten als neue Schädlinge auf und können an Pflanzen, vor allem Gemüse, Saugschäden verursachen und Pflanzenteile zum Absterben bringen.
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Marmorierte Baumwanze
Die Grüne Reiswanze sondert beim Saugen auch noch ein Sekret ab, das den Geschmack mindert –was vor allem Gartenfreunden bekannt sein dürfte, die Himbeeren auf ihrer Parzelle kultivieren. Im Großen und Ganzen sind Wanzen aber nicht schädlich, viele sind sogar sehr nützlich.
Vielfalt durch Vielfalt
Im Kleingarten können viele Arten vorkommen. Sie fühlen sich dort sogar ganz besonders wohl, da es viele verschiedene räumliche Strukturen gibt, die als Versteck dienen, sowie eine große Vielfalt an Pflanzen – vom Apfelbaum über das Gemüse bis hin zur Staude mit Samenständen.
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Grüne Reiswanze
Hinzu kommt, dass Kleingärten meist sehr sonnig sind, da es Auflagen gibt, die Art und Größe der Gehölze und die maximale Höhe von Hecken festlegen. Davon profitieren alle Insekten, so auch die Wanzen. Eine Studie zur Biodiversität der Wiener Kleingärten, durchgeführt vom Zentralverband der Kleingärtner und Siedler Österreichs, widmete sich ganz den Wanzen und Zikaden, da diese gute Indikatoren für die Artenvielfalt darstellen.
In den untersuchten Gärten wurden erstaunliche 109 Wanzenarten und 76 Zikadenarten gefunden. Die meisten dieser Arten bevorzugen trockene bis mäßig feuchte Habitate, wie sie typisch sind für Gärten. Ein Drittel der nachgewiesenen Arten ernährt sich polyphag, also von vielen verschiedenen Pflanzen oder Tieren, weswegen ihnen Kleingärten sehr entgegenkommen. Selbst einige spezialisierte Arten fanden in den Kleingärten ihre Lieblingspflanzen. Heißen wir die Wanzen also willkommen und schauen einmal genauer hin, welche Besucher wir erwarten können.
Arten im Garten
Foto: Muriel Hazan/Biosphoto
Feuerwanzen
Allen Wanzen ist gemein, dass sie kein Puppenstadium durchlaufen, sodass Larven und adulte Tiere oft dieselben Ernährungsgewohnheiten haben. Außerdem besitzen sie stets einen Saugrüssel, nehmen also nur flüssige Nahrung zu sich. Die meisten Wanzen können fliegen, tun es aber selten.
Andere, wie die Feuerwanze, haben die Flügel zurückgebildet und müssen zu Fuß gehen. Diese auffällige rot-schwarze Art überwintert in der Bodenstreu und fällt ab Frühjahr durch große Zusammenballungen auf, bei denen Tiere aller Altersklassen Zaunpfähle oder Lindenstämme besetzen. Sind die Früchte von Linden und Malven reif, saugen sie daran, nehmen aber auch mit anderen Samen oder toten Insekten vorlieb. Sie verlaufen sich manchmal in Häuser, sind aber harmlos und schaden auch den Pflanzen nicht wesentlich.
Im Garten fallen neben der Feuerwanze vor allem die oft bunten und großen Baumwanzen auf, zu denen auch die eingeschleppte Marmorierte Baumwanze und die Grüne Reiswanze gehören. Es gibt aber einige hübsche heimische Arten und sogar regelrechte Helden wie den Waldwächter, eine räuberische Baumwanze, die Raupen, Fliegen, Käfer und andere Insekten erbeutet und eine wichtige Schutzfunktion im Wald übernimmt – in unseren Gärten ist er allerdings seltener zu finden.
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Grüne Stinkwanze
Am häufigsten zu finden ist die Grüne Stinkwanze. Sie saugt an Pflanzensamen und Früchten wie Erdbeeren, die Larven auch an anderen Pflanzenteilen. Sie verbringen nach dem Schlupf einige Zeit dicht gedrängt in einem „Kindergarten“, bis sie sich nach der ersten Häutung zerstreuen. Ebenfalls häufig und hübsch gezeichnet mit Metallglanz ist die Schillerwanze, eine kleine Baumwanze, die besonders gern an den Samen von Lippenblütlern, wie Wald-Ziest, saugt.
Foto: Schwarzer
Schillerwanze
Die Baumwanze der Herzen ist sicher die Streifenwanze, die im rot-schwarz-gestreiften Rudel an den Blüten und Samenständen von Doldenblütlern lebt. Ihre Larven sind tarnfarbig braun. Für die Pflanze ist die Streifenwanze ziemlich nutzlos, da sie mit ihrer glatten Körperoberfläche kein guter Bestäuber ist und sowieso zeitlebens stoisch auf der Pflanze hocken bleibt. Zu allem Überfluss saugt sie auch noch die Samen aus.
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Streifenwanze
Sehr nützlich für Kleingärtner sind die Sichelwanzen. Sie leben räuberisch und erbeuten mit ihrem sichelförmig gebogenen Rüssel Insekten. Klein und unscheinbar und daher meist übersehen ist die Rotbraune Sichelwanze. Sie freut sich im Winter über eine dichte Laubstreu, in der sie überwintert.
Ebenfalls Räuber sind die stattlichen Raubwanzen, wie die Rote Mordwanze. Sie jagt gern auf Blüten und erbeutet dort auch Tiere, die größer sind als sie selbst. Aber nur gucken, nicht anfassen, da sie sich mit einem schmerzhaften Stich zu wehren weiß. Die 5 mm langen Blumenwanzen sind vor allem dadurch bekannt, dass sie Gartenfreunden schmerzhafte Stiche zufügen – je kleiner, desto schlimmer. Die kleinen Krabbler erbeuten aber vor allem Blattläuse, genauso wie die Rote Weichwanze aus der artenreichen Familie der Weichwanzen, während ihre Verwandtschaft eher als Pflanzensauger in Erscheinung tritt. Auch im Gartenteich leben skurrile Wanzen, wie Rückenschwimmer und Wasserläufer.
Ohne Wanzen geht es nicht
Wanzen sind also vielgestaltig, hochinteressant und auch äußerst wichtig für die Artenvielfalt, denn von ihnen ernähren sich Spinnen, Vögel und Spitzmäuse. Noch dazu ist die Wanzen-Grabwespe auf Beute in Form von Baumwanzen angewiesen, mit denen sie ihre Brut ernährt. Sie wird wiederum von einer Goldwespenart parasitiert – ohne Wanzen geht also gar nichts.
Als wenn das noch nicht genug wäre, werden die arg gebeutelten Baumwanzen, aber auch Sichelwanzen und andere von Raupenfliegen mit Eiern belegt, z.B. von der Wanzenfliege. Diese eifrige Blütenbesucherin legt Eier an Baumwanzen wie die Grüne Stinkwanze. Ihre Larve entwickelt sich im Körper des Wirts.
Sogar die Marmorierte Baumwanze hat ihren Meister gefunden: Die Samuraiwespe wurde zu ihrer Bekämpfung eingeführt und dezimiert sie sehr erfolgreich, allerdings befällt sie auch heimische Arten. Sie legt ihre Eier direkt in die Gelege. Wenn Sie also das nächste Mal einer Wanze in Ihrem Garten begegnen – seien Sie nachsichtig mit ihr!
Elke Schwarzer
Diplom-Biologin,
Fachautorin