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Neue Sorten: Resistent, gut vermehrbar und dekorativ

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Über Ziele und Methoden der Zierpflanzenzüchtung


Der Judasbaum (Cercis canadensis) ‘Lavender Twist’Foto: Gärtner Pötschke


Prof. Dr. Günter SchumannFoto: privat Prof. Dr. Günter Schumann Jedes Jahr flattern die bunten Garten-Prospekte mit vielen neuen Zierpflanzenarten und -sorten für die kommende Saison ins Haus. Manch einer wundert sich vielleicht, wie diese Neu­hei­ten entstanden sind. „Gartenfreund“-Redakteurin Christiane Breder sprach mit Professor Dr. Günter Schumann, Direktor des Institutes für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen und Obst in Quedlinburg, zugehörig zum Julius-Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen.

 

Welches sind die Ziele der heutigen Pflanzenzüchtung im Zierpflanzenbereich?
Die Ziele gibt der Handel vor. Die Pflanzen sollen einheitlich, gut transportfähig und gut lagerfähig sein. Nehmen Sie als Beispiel den Weihnachtsstern. Es sollen auf möglichst wenig Platz möglichst viele Pflanzen transportiert werden. D.h. der Wuchs muss gedrungen, kompakt sein.

Der Judasbaum  ‘Lavender Twist’Foto: Gärtner Pötschke ... und blüht von April bis Mai direkt aus dem Holz seiner Äste Für den Handel ist außerdem wichtig, dass eine gewisse Angebotskontinuität vorherrscht. So sollen Gerbera-Sorten oder Rosen möglichst das ganze Jahr über als Schnittblumen zu kaufen sein. Wenn der Handel entschieden hat, wohin die Reise gehen soll, kommen die Produzenten zum Zu­ge. Die un­ter­lie­gen allerdings den Bestimmungen des Gesetzgebers, was z.B. den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder Maßnahmen, möglichst wenig Energie zu verbrauchen, angeht. „Res­sour­cen­scho­nen­de Pro­duk­tion“ lautet hier der Fachbegriff.

Für den Produzenten sind außerdem eine gute Vermehrbarkeit der Pflanzen und eine gute Qualität entscheidend. Hier geht es z.B. um Robustheit ge­gen­über widri­gen Witterungsbedingungen oder um Resistenzen gegen Schad­er­re­ger.

Und inwieweit wird der Verbraucher berücksichtigt?
Der Verbraucher ist das letzte Glied in der Kette. Er liebt natürlich Neuigkeitseffekte: Die Pflanze soll besonders ästhetisch sein, einen besonderen Duft oder ausgefallene Blütenformen und -farben haben. Doch die Hobbygärtner nehmen inzwischen nicht mehr alles, was auf dem Markt angeboten wird: Das Umweltbewusstsein hat sich gewandelt, viele hinterfragen, woher die Pflanzen kommen und lehnen lange Transportwege ab.

Dennoch erwartet der Verbraucher z.B. bei Schnittblumen eine lange Haltbarkeit, und Topfpflanzen sollen u.a. pflegeleicht sein. Natürlich schaut er auch auf den Preis. Doch hier kann ich nur die Empfehlung geben: Gehen Sie in Fachmärkte, auch wenn die Pflanzen dort teurer sind, sie haben da­für meistens eine bessere Qualität. Billigware lässt oftmals in der Qualität zu wünschen übrig.


Eine Weihnachtsstern-Mutterpflanze liefert viele StecklingeFoto: Themenbild Eine Weihnachtsstern-Mutterpflanze liefert viele Stecklinge mit immer der gleichen genetischen Struktur und den gleichen Anlagen für Wuchs und Blüte (bzw. Hochblatt-Erscheinungsbild) Mit welchen Methoden wird in der Züchtung gearbeitet?
Nehmen wir zunächst Pflanzen, die vegetativ über Stecklinge vermehrt werden, z.B. den Weihnachts­stern. Dort ist ja inzwischen eine immense Vielfalt an Farben auf dem Markt.

Eine Methode ist, die Pflanzen mit Röntgenstrahlen zu behandeln. Da­durch werden Mutationen ausgelöst, die Farbveränderungen der dekorativen Hochblätter bewirken können – bei denen es sich nicht um die Blüten handelt, die sind klein und unauffällig. So kann eine neue Sorte entstehen. Vermehrt man diese Mutanten – also Pflanzen mit verändertem Genmaterial – vegetativ, wird diese Verfärbung an die Stecklinge weitergegeben.

Löwenmäulchen Madame ButterflyFoto: Chrestensen Eine neue Blütenform brachte diesen Löwenmäulchen der Firma N.L. Chrestensen den schönen Namen ‘Madame Butterfly’ ein. Die Blüten sind nicht ty­pi­sch geformt, sondern rund und azaleenähn­lich. ­ Bei Pflanzen, die generativ vermehrt werden, also über Be­stäu­bung, werden bestimmte Merkmale gezielt gekreuzt. Dazu gehören viele Gartenstauden wie Som­merastern, Levkojen oder Chris­t­rosen, Beetpflanzen wie Veilchen und Primeln sowie Topfpflanzen wie Alpenveilchen. Aber auch bei Pelargonien, die als Sorte ausschließ­lich vegetativ vermehrt werden, tragen Einkreuzungen zu neuen Blüten- und Blattformen bei.

Auch bei Resistenzen gegen­über Krankheiten oder Wuchsfor­men kreuzt man Arten oder Sorten bewusst, um bestimmte Züchtungs­ziele zu erreichen. Das dauert allerdings Jahre und ist mit hohen Kosten verbunden.


Werden auch gentechnische Methoden eingesetzt?
Ja, aber mehr im Forschungsbereich. Noch kann man in Deutschland keine sogenannten transge­nen Zierpflanzen – bei denen ein Gen einer anderen Art eingebracht wurde – kaufen. Ich persön­lich se­he allerdings das Risiko für Mensch und Tier hier nicht so groß wie bei Nutzpflanzen, da Zierpflan­zen ja nicht gegessen werden.

 

gelb blühende Pelar­gonien (Pelargonium zonale)Foto: Bakker Noch eher selten anzutreffen, doch Bakker kann seine Kunden damit erfreuen: gelb blühende Pelar­gonien (Pelargonium zonale)


Inwieweit spielen in der modernen Züchtung Wildarten oder alte Sorten eine Rolle?
Die spielen eine große Rolle! Hier handelt es ich um wertvolles genetisches Material. Betrachten wir wieder die Pelargonien, z.B. die Gruppe der stehenden Pelargonien, Pelargonium zonale, oder die Gruppe der hängenden Pelargonien, Pelargonium peltatum. Die wurden aus verschiedenen Arten gekreuzt. Die Wildarten selbst se­hen ganz anders aus, die kennt man gar nicht mehr.

Heute gibt es Pelargonien mit einer Vielzahl von verschiedenen Rottönen, aber so richtig auf­re­gend sind die nicht. Man kann sagen, dass die Pelargonien-Züchtung heutzutage stagniert. Die Züchtung hat zu einer genetischen Einengung geführt. Jetzt wird deutlich, wie wichtig das Gen­ma­te­rial der Wildarten ist, damit Rückkreuzun­gen möglich sind und neue genetische Variabilität entsteht.


Die neue Primel-Serie (Primula elatior) ‘Piano’Foto: Benary Die neue Primel-Serie (Primula elatior) ‘Piano’ der Firma Be­nary kommt auf langen Stängeln mit 15–17 cm Höhe daher


Wird denn schon gezielt auf Genmaterial von Genbanken zurückgegriffen?
Für landwirtschaftlich genutzte Kulturarten gibt es bereits Genbanken. Jetzt will das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Rahmen der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt auch eine Genbank für Zierpflanzen einrichten. In einem dezentralen Netzwerk sollen zierpflanzengenetische Ressourcen erfasst und koordiniert werden. Der Staat hat erkannt, wie wichtig die geneti­schen Ressourcen auch im Zierpflanzenbereich sind.

Nun wird geschaut, welche Arten und Sorten für Deutschland wichtig sind, welche Firmen Pflan­zen züchten und eingebunden wer­den können, welche Arten evtl. über internationale Abkommen gesichert werden können.

Die Prunk­win­den-Mi­schung (Ipomoea purpu­rea) ‘Picotee Mix’Foto: Kiepenkerl Die Prunk­win­den-Mi­schung (Ipomoea purpu­rea) ‘Picotee Mix’, neu im Sortiment von Kiepenkerl, zeichnet sich durch den aparten weißen Rand an den Blüten aus Inwieweit wird heutzutage ­gezielt gezüchtet, und inwieweit spielt auch der Zufall bei der Entstehung bestimmter Merkmale eine Rolle?
Früher war es mehr der Zufall, der zu neuen Merk­ma­len geführt hat. Heute werden konkrete Ziele definiert, und dann wird züchterisch daran gearbeitet, diese Ziele zu erreichen.

Was versteht man unter „Smart Breeding“, und spielt diese Methode im Zierpflanzenbereich eine Rolle?
Beim „Smart Breeding“ wird das Erbgut von Pflanzen analysiert. Mithilfe sogenannter molekularer Marker werden die für bestimmte Merkmale verantwortlichen Gene identifiziert und dann gezielt Kreu­zungspartner ausgewählt. Auch nach der Kreuzung wird das Erbgut des entstandenen Hybriden auf die gewünschten Merkmale hin durchsucht.

Bei landwirtschaftlich genutz­ten Kulturen ist diese Methode bereits etabliert. Im Zierpflanzenbereich wird sie noch sehr wenig eingesetzt, und wenn, dann bei gro­­ßen Zierpflanzengruppen. Bei Ro­sen ist die Erb­gut­a­na­lyse beispiels­weise bereits weit fortgeschritten. Ein Zuchtziel sind Rosen, die gegen Sternrußtau resistent sind.


Duftwicke (Lathyrus odoratus)Foto: Mr. Fothergill‘s Ihr dunkler Rotweinfarbton brachte dieser Duftwicke (Lathyrus odoratus) aus dem Sortiment von Mr. Fothergill‘s den Namen ‘Beaujolais’ ein Inwieweit beeinflusst der Klimawandel Züchtungsziele?
Wenn es hier wärmer wird, werden sich die Pro­du­zen­ten freuen, da sie weniger Energiekosten für den Pflanzenanbau haben. Aber das nur am Rande.

Eine Gefahr sehe ich darin, dass neue Schaderreger hier Fuß fassen könnten: pilzliche Erreger, Thripse, Blattläuse, die andere Viren übertragen als bisher. Eventuell müssen dann andere Resistenzen gezüchtet werden. Das ist aber im Zierpflanzenbereich nicht so wich­tig wie bei Gemüsepflanzen.

Mehr Sorge bereitet mir die Vor­stellung, dass bei uns Pflanzen aus Asien oder anderen Ländern mit wär­me­rem Klima eingeführt werden, die aufgrund des milderen Klimas bei uns so gut Fuß fassen, dass sie sich unkontrolliert ausbreiten, also zu invasiven Arten werden. Denken wir nur an das Indische Springkraut oder den Japanischen Knöterich, die bereits in vielen Regionen Deutschlands große Dominanzbestände bilden und heimische Arten verdrängen. Aber das ist ein anderes Thema.