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Braunkohl: Vom „Arme-Leute-Essen“ zur „Spezialität“

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HeckenpflanzungFoto: Themenbild Schmeckt nicht nur lecker, sieht auch dekorativ aus: "Grün"-Kohl in un­ter­schied­li­chen Farben als Heckenpflanzung Altes Gemüse erfreut sich großer Beliebtheit

In verschiedenen Land­stri­chen Deutschlands, so auch in Bremen und im Braunschweiger Raum, wird heute der Grünkohl als Braunkohl bezeichnet. Der echte Braunkohl dagegen verschwand vor vielen Jahren aus dem Anbau.

Von den verschiedenen Kohlarten ist der Grünkohl der Wildform am ähn­lichs­ten. Als krausblättri­ger Krauskohl wurde er bereits vor unserer Zeitrechnung von den Griechen beschrieben. Später, bei den Römern, zählte er – als Stängelkohl bezeichnet – zu den Delikatessen in der römischen Küche.

Inzwischen ist der Grünkohlanbau über die ganze Welt verbreitet, besonders in Mittel- und Westeuropa. In Deutschland war Grünkohl früher ein „Arme-Leute-Essen“. Heute streiten sich die Regionen besonders in Norddeutschland darum, wessen „Spezialität“ der Grünkohl denn nun ist.


Braunschweiger Braun­kohlFoto: Vetter Aussaat des Braunschweiger Braun­kohls ‘Roter Krauskohl’ am 18. Mai 2009 Jungpflanzen werden eingepflanztFoto: Vetter Nach etwa einem Monat wurden die kräftigen, abgehärteten Jungpflan­zen des Braunkohls ausgepflanzt Grüner „Braunkohl“
Zur Frage, warum der Braunkohl Braunkohl heißt, obwohl er grün ist und nicht braun, sind abenteuerliche Er­klä­run­gen im Umlauf. Die Braunschweiger meinen voller Stolz, der Braunkohl komme aus Braunschweig und trage daher diesen Namen.

Die Erklärung, dass die Namensgebung Braunkohl etwas mit der Verfärbung des Kohls nach mehr­ma­li­gem Aufwärmen zu tun haben könnte, stimmt ebenfalls nicht. Gleiches gilt für die Erklärung, der Kohl verfärbt sich nach starkem Frost bräunlich. Eine schlüssige Ant­wort scheint es nicht zu geben.

Nachweislich hat es aber noch im 19. Jahrhundert den in Oldenburg, Bremen und Ostfriesland regional angebauten sogenannten Langkohl mit kräftig bräunlich vio­lettfarbenen Blättern gegeben, bei dem die groben Pflanzenteile als Viehfutter verwendet wurden. Außerdem ist bekannt, dass es in Regionen in Westfalen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt (hier in der Altmark) braunroten Kohl gegeben hat, man sprach vom „Roten Krauskohl“.

Wegen seiner großen Frosthärte bis zu –15 °C ist die Ernte des Grün- oder Braunkohls bis ins Frühjahr möglich. In den Gasthäusern stehen in den Wintermonaten die Grün- bzw. Braun­kohl­ge­rich­te auf der Speisekarte an oberster Stelle.


Violett wieder im Kommen

Seit wenigen Jahren werden in Sa­menkatalogen wieder braune oder violette „Grünkohlsorten“, die in Vergessenheit ge­raten waren, angeboten. Besonders die Sorte ‘Redbor’ (eine F1-Hy­bride) ist mit ihren rötlich violett gefärbten, krausen Blättern ein sehr attraktiver Blickfang im Gemüsebeet.

Im Lehr- und Versuchs­garten des Landesverbandes Braun­schweig der Gartenfreunde und im Botanischen Garten in Braun­schweig wurde diese Sorte in den letzten Jahren ausgesät und angepflanzt. Im Lehr­garten waren wir vom kräftigen Wuchs dieser Grünkohlsorte sehr positiv überrascht.

Auf der Suche nach alten Braunkohlsorten ist der Landesverband bei der Firma Dreschflegel, Witzenhausen (Tel. 0 55 42/50 27 58, www.dreschflegel-saatgut.de) fündig geworden. Die Samen mit der Bezeichnung Braunkohl ‘Roter Krauskohl’ (Brassica oleracea var. sabellica) haben wir am 18. Mai 2009 im Gewächshaus ausgesät.

Diese Sorte aus dem Museumsdorf Diesdorf ist aus drei alten, aus der Altmark stammenden Sorten hervorgegangen. Sie soll der alten Braunschweiger Braunkohlsorte nahekommen. Die einzelnen Wachstumsstadien bis zur Ern­te­reife sind in den Bildern festgehalten worden.


Gesunde Inhaltsstoffe

Der Gesundheitswert der angebau­ten Braunkohlsorte übertrifft den des Grünkohls. Die positiven Inhaltsstoffe sind sogar in noch höherer Konzentration vorhanden, vor allem die Mineralien Kalium, Magnesium und Calcium und die Vitamine C, D und E. In der Pflanze sind auch Flavonoide und Carotinoide, die als Radikalenfänger gegen Krebs vorbeugen sollen, in hohem Anteil enthalten.


GemüseschutznetzFoto: Vetter Nach mehreren Monaten ist der Braunkohl im Oktober ausgewachsen. Gärtner Reinhard Beulakker kontrolliert hier den Befall mit Weißer Fliege, auch Kohlmottenschildlaus genannt. Mit einem feinmaschigen Gemüseschutznetz konnten wir den Befall erheblich reduzieren. Hoher Nährstoffbedarf

Der Grün- oder Braunkohl gehört, wie alle Kohlarten, zu den Starkzehrern, d.h. er hat einen hohen Nährstoffbedarf und benötigt viel Wasser. Ansonsten stellt er keine besonderen Ansprüche an den Stand­ort, bevorzugt aber einen sonnigen Platz und einen kalkreichen Lehm- oder Lössboden.

Kein Frost vor der Ernte, aber kühle Temperaturen
Jetzt zu der oft gestellten Frage: „Benötigt Grünkohl Frost vor der Ernte?“ Hier sind sich alle Experten einig, den braucht er nicht. Trotzdem hört man immer wieder, dass ein Teil der im Grünkohl enthaltenen Stärke durch den Frost in Zucker umgewandelt wird und damit für einen besseren Geschmack sorgen soll.

Wichtig ist, dass der Grünkohl bei allgemein kühlen Temperatu­ren bis zur Ernte noch ausreichend Zeit bekommt, um durch die Photosynthese über das Sonnenlicht weiterhin genügend Trau­ben­zu­cker aufzubauen. Durch die kühlen Temperaturen verlangsamen sich die Stoffwechselvorgänge in der Pflanze, was dazu führt, dass der Zuckergehalt in den Kohlblättern ansteigt.

Der Natur ein Schnippchen zu schlagen und die kühlen Tempera­turen oder Frostgrade durch die Kühltruhe zu erzeugen, um den Geschmack des Grünkohls zu verbessern, funktioniert nicht. Nur die lebende Pflanze kann den Trauben­zucker im Grünkohl anreichern, sodass er seinen typischen Geschmack erhält.

Vergessene Pflanzen erfreuen mit gelber Blütenpracht
Wenn Sie im Winter oder Frühjahr Pflanzen Ihres Grünkohls vergessen haben zu ernten, lassen Sie sie stehen und erfreuen Sie sich an ihrer wunderbaren gelben Blütenpracht im Frühling. Sollten Sie die Pflanze dann noch zur Samenreife kommen lassen, kann es Ihnen passieren, dass Sie im Sommer viele neue Kohlpflänzchen im ganzen Garten verteilt vorfinden.

Helmut Vetter,
Landesfachberater des
Landesverbandes Braunschweig der Gartenfreunde e.V.