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Veredeln: Erste Hilfe und neue Sorten für Obstbäume

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Veredeln von ObstbäumenFoto: Neder Genau sehen, wie’s geht: Wer das Veredeln von Obstbäumen lernen möchte, sollte die Kurse der Fach­berater und anderer Experten besuchen.

Nicht selten kommt es an Stämmen von Obstbäumen zu grö­ßeren Schäden – sei es durch Mäuse- und Hasenfraß, Krebsbefall, me­chanische Verletzungen oder durch Frostrisse. Man kann es der Vitalität des Baumes überlassen, ob er den Schaden über­steht oder nicht. Passionierten Gärtnern fällt das aber schwer, und so suchen sie nach Möglichkeiten, dem Baum zu helfen.


Vereinfachtes Tittelpfropfen und seitliches Einspitzen

Zwei relativ einfache Methoden der ersten Hilfe, mit der man mit einer Art Bypass größere Wunden am Stamm überbrücken kann, sind das vereinfachte Tit­telpfropfen und das seitliche Einspitzen. Die Bypässe überbrücken die Wunde und sorgen nach dem Anwachsen dafür, dass die blo­ckierten Trans­port­we­ge im Stamm zumin­dest teilweise wieder hergestellt werden. Je nach Größe der Wun­de sind eine oder mehrere über die Wunde gelegte Brücken möglich und sinnvoll.


TittelpropfenFoto: Neder Tittelpropfen:
1. Am Edelreis führt man zwei Kopulationsschnitte durch, einen längeren und einen kürzeren. Der längere be­ginnt etwa 1 cm über einem Auge, das der Schnittfläche gegenüberliegt. Der zweite auf der Seite des Auges etwas unterhalb davon wird schräg nach unten geführt, sodass sich ein Keil ergibt.
Tittelpropfen 2Foto: Neder 2. Am Stamm werden ober­halb und unterhalb der Wunde zwei paralle­le Schnitte durchgeführt. Der Abstand ergibt sich aus der Dicke des Reises. Die Schnitte werden an den zur Wunde weisen­den Enden durch einen Querschnitt verbunden. So lässt sich die Rinde auf­klap­pen und das Reis einsetzen.
 
Tittelpropfen 3Foto: Neder 3. Der über den kürzeren Kopulationsschnitt des Edel­reises hinausragende Rin­denteil wird entfernt. Das Edelreis wird nun oben und unten am Stamm so unter die Rinde geschoben, dass der län­gere Schnitt am Stamm anliegt und der kürzere unter der Rinde. Wichtig: Die Augen des Reises zeigen nach oben!









 
Tittelpropfen 4Foto: Neder 4. Nach dem Einsetzen des Reises wird z.B. mit einem Ver­edelungsband straff verbunden. Edelreis und Schnittflächen am Stamm noch dünn mit einem Veredelungswachs (z.B. von Maywachs) überstreichen, um die Verdunstung zu mini­mie­ren und das Eindringen von Regenwasser zu vermeiden. Tittelpropfen 5Foto: Neder 5. Die fertige Veredelung, gut zu erkennen ist die über­brückte Wunde des Obst­baums. Tittelpropfen 6Foto: Neder 6. Die Veredelungen ver­wach­sen eng mit dem Baum.
 
Beide Techniken gelingen nur dann, wenn die Rinde des Baumes löst. Die Zeit kurz vor oder wäh­rend der Blüte ist dafür gut. Auch eine Sommerveredelung, etwa im August, ist mög­lich. Während man bei der Frühlingsvariante kalt gelagerte Edelreiser benötigt, kann man bei der Sommer­variante einjährige gut entwickelte Reiser direkt vom Baum schnei­den, ent­blättern und dann unmittelbar nach dem Schneiden einveredeln. Ideal ist der mittlere Teil des Reises.

Die Länge des Ver­e­de­lungs­rei­ses ergibt sich aus der Größe der Wunde. Die Veredelung erfolgt ins gesunde Holz, ca. 5–8 cm über und unter der Wundfläche. Da das Reis beim Einsetzen leicht gebogen wird, sollten einige Zentimeter dazugegeben werden.

Wenn nach einigen Wochen das Edelreis und der Stamm ver­wach­sen sind, kann man vorsichtig damit beginnen, das Veredelungs­band zu lösen.

Manchmal verheilen größere Wunden nach einigen Jahren von selbst, sodass die Über­brü­ckun­gen (= Ammen) wieder entfernt werden können. Sie können aber auch bleiben und verwachsen dann oft mehr und mehr mit dem Baum zu einer Ein­heit.


Wichtige Grundregeln und Tipps für das Veredeln

Veredeln macht nur mit einem guten Messer Sinn und Spaß. Am besten ist ein Ver­edelungsmesser. Eine leichte Hippe hat eine etwas gekrümmte Klinge, ein Kopulier­messer eine glatte Klinge. Ist kein Veredelungsmesser vorhanden, eignet sich auch ein stabiles Taschenmesser ohne gewellten Schliff. Ein Pflasterverband am Daumen und dem ersten Finger der linken Hand (bei Rechtshän­dern) schützt besonders am Anfang vor Schnittverletzungen.

Seitliches EinspitzenFoto: Neder Seitliches Einspitzen:
1. Unterhalb der Wunde wird ein T-Schnitt gemacht: ca. 3 cm lang senkrecht und etwa 2 cm waagerecht. Oberhalb der Wunde steht das T bild­lich gesehen auf dem Kopf.
Seitliches Einspitzen 2Foto: Neder 2. Am Edelreis einen langen, glatten Kopulationsschnitt jeweils am oberen und unteren Ende durchführen. Nach dem Einsetzen des Reises mit Veredelungsband verbinden und mit Wachs bestrei­chen. Alle Schnitte sollten sau­ber und fest mit einem scharfen Messer durch­ge­führt werden, damit die Rinde auch vollständig durchtrennt ist. Bei schon etwas dickerer Rinde ist hierzu etwas Kraft nötig. Mit Hilfe des Messers oder eines Holzstöckchens lässt sich die Rinde lösen. Es gibt auch Okuliermesser mit einem Rindenlöser auf der Klinge. Eine exakte Schnittführung erscheint auf den ersten Blick vielleicht recht schwierig, kann jedoch mit etwas Übung an weichen Weiden­äs­ten schnell erlernt werden. Übung macht auch hier den Meister.

Obwohl sich die moderne Baumpflege gegen den Einsatz von Wundverschlussmitteln ausspricht, greifen erfahrene Obst­bauberater noch immer auf Wundverschlussmittel (mit Fungizid) zurück.

Wer sich nach dem Mond richten will, wählt die Zeit des zuneh­men­den Mondes, am besten in der Nähe des Vollmondes und an einem Fruchttag.

Reiser werden zur Zeit der absoluten Saftruhe (je nach Witterung von Mitte Dezember bis ca. Ende Januar) geschnitten und bis zum Zeitpunkt der Veredelung feucht-kalt (z.B. im Felsenkeller oder luftdicht in einer Folie eingewickelt im Kühlschrank bei 3–5 °C) aufbewahrt. Viele Vereine, Obst­bau­ins­ti­tu­te oder Lehrgärten bieten einen Reiserservice an. Hier können optimal gelagerte Reiser bestellt werden. Wer diese Möglichkeit nicht nutzen kann und Sorten des eigenen Gartens ohne Lagerung verwenden möchte, kann auf die Sommervariante des Rindenpfropfens ausweichen.


Neue Sorten veredeln: Pfropfen hinter die Rinde

Auf einen älteren Baum weitere Sorten oder einen Duo-, Trio- oder Mehrsortenbaum veredeln – das klappt am besten mit dem Pfropfen hinter die Rinde. Möglich ist z.B. die Kombination von Sommer-, Herbst- und Winterapfelsorten auf einem Baum, auch bei Kirschen kann eine frühe Sorte mit einer späten kombiniert werden. Auf eine Zwetschenunterlage lassen sich Aprikose, Mandel, Mirabelle, Pflaume und Zwetsche setzen.

Bei dieser Veredelungsmethode ist die Unterlage deutlich dicker als das Edelreis. Voraussetzung ist auch hier, dass sich die Rinde gut löst, was von Ende April bis Ende Mai zur Blütezeit der Fall ist. Beim Ansetzen des Messers am Pfropf­kopf kann man dann ein deutliches Knacken vernehmen. Löst sich die Rinde schlecht oder nur unvollständig, wartet man noch einige Tage. Das Propfen ist, je nach Lösen der Rinde, auch im August und bis Anfang September noch möglich.

PfropfenFoto: Neder Pfropfen
1. Vor dem Pfropfen hinter die Rinde wird die Krone des Baums gekappt, um ge­eig­nete Schnittstellen zum Ein­setzen der Reiser zu erhal­ten. Dabei auf eine pyrami­da­le Form achten. Wird nur ein Teil des Baums veredelt, schneidet man nur einige Astpartien ab. Die Schnitt­stel­len wenn nötig mit einem Messer sauber nach­schnei­den.
Pfropfen 2Foto: Neder 2. Zuerst die Rinde an der Unterlage oben am Ast längs einschneiden. Dann das Edelreis mit einem lang gezogenen Schnitt versehen und zwischen den beiden aufgeklappten Rindenflügeln einsetzen.


 
Pfropfen 3Foto: Neder 3. Äste bis etwa 3 cm Durchmesser erhalten ein Reis, bei 4–5 cm werden zwei und von 6–8 cm drei Reiser gleichmäßig verteilt veredelt. Pfropfen 4Foto: Neder 4. Mehrere Reiser vermindern das Risiko und sorgen dafür, dass die Schnittwunden zügiger verheilen. Die Ver­edelungen mit Bast ver­bin­den und mit Wachs bestrei­chen.

 

Vor dem ersten Ver­e­de­lungs­schnitt muss die Krone des zu veredelnden Baumes gekappt (= abgeworfen, zu­rück­ge­setzt) werden, um ge­eignete Schnittstellen zum Ein­setzen der Reiser zu erhalten. Wird nur ein Teil des Baumes veredelt, schneidet man nur einige Astpartien ab. Wirft man den Baum komplett ab, erfolgt dies am besten in pyramidaler Form. Einige sogenannte Zug-Äste müssen erhalten bleiben. Wenn nötig schneidet man unsaubere Schnittstellen mit einem Messer sorg­fäl­tig nach.

Der Pfropfkopf wird mit Veredelungsbast, Kunst­bast oder Veredelungsband verbunden und an­schlie­ßend rundum dünn mit einem Veredelungswachs (z.B. von Maywax) ver­stri­chen. In gleicher Wei­se kann auch das Edelreis ganz verstrichen werden, zumindest aber die frei­lie­gen­de obere Schnittfläche. Bei Veredelungsbast oder Kunstbast muss nach dem Anwachsen des Ver­e­de­lungs­rei­ses der Bast mit ei­nem scharfen Messer durchtrennt werden.


Chip-budding – Veredeln für Könner

Diese Methode wird auch Spanveredelung genannt. Der Chip bezeichnet ein Auge mit Holzschildchen, das genau passend zurechtgeschnitten in die ebenfalls zurechtgeschnittene Unterlage gesetzt wird. Veredelt wird auf einen jungen Wildling. Die Dicke des Wildlings sollte an der Veredelungsstelle (in etwa 20 cm Höhe) die Stär­ke eines Bleistiftes oder eines Kugelschreibers haben. Bei dickeren Unterlagen wählt man zum Veredeln besser die Variante des Pfropfens hinter die Rinde.

Chip-buddingFoto: Neder Chip-budding
1. Den Wildling auf 20-30 cm von Seitenästen befreien und mit einem Tuch reinigen. Dann ca. 1,5 cm unterhalb des Auges einen 3 mm tiefen, leicht nach unten gerichteten Schnitt ansetzen. Den zweiten Schnitt etwa 3 cm über dem ersten ansetzen und das Messer flach hinter der Rinde in Richtung der ersten ansetzen und das Messer flach hinter der Rinde in Richtung der ersten Einkerbung führen.
Chip-budding 2Foto: Neder 2. Genauso wird das Auge aus dem Edelreis geschnitten. Die Einkerbungen an Unterlage und Edelreis sollten gleich groß sein. Beim Einsetzen des Chips sollten sich die Ränder der Schnittstellen an Unterlage und Edelreis genau decken.





 
Chip-budding 3Foto: Neder 3. Verbunden wird mit einem Gummiband oder einer elastischen Veredelungsfolie. Das Auge in der Mitte bleibt frei. Die Chip-Veredelung kann sowohl im Frühjahr (April/Mai) auf das trei­ben­de Auge als auch im Som­mer auf das schlafende (d.h. nicht mehr aus­trei­ben­de) Auge angewandt werden.

Wer Unterlagen bestellt, kann sie entweder auf einem Beet auspflanzen oder auch eintopfen. Mit getopften Unterlagen gehen die Schnitte anfangs etwas leichter von der Hand. Werden die Un­ter­la­gen im Frühjahr bestellt, lässt man die Unterlagen am besten zunächst einwachsen und veredelt dann im Juli/August. Bei einer Frühjahrsveredelung z.B. im Mai treibt das Auge nach einigen Tagen oder Wochen  an und bildet einen zügig wachsenden Trieb aus.

Bei der Veredelung im Sommer muss man auf den Austrieb bis  zum nächsten Frühjahr warten.

Ist der Trieb etwa 10 cm lang, wird die Unterlage bis auf einen kurzen Stummel über der Veredelungsstelle abgeschnitten. Hieran kann man den neuen Trieb der Edelsorte anheften. (Vorsicht: Er bricht leicht!) Wird der Trieb größer, kann man ihn zusätzlich stäben. Im nächsten Jahr, wenn der Neuaustrieb aus eigener Kraft seine erwünschte Stellung beibehält, kann diese Stützhilfe direkt über der Veredelungsstelle entfernt werden.

 

 

Bezugsquellen

für Veredelungszubehör:
Hermann Meyer
Tel. 0 41 01/49 09-0
www.meyer-shop.de

Unterlagen und Zubehör:
Baumschule Wagner
Tel. + Fax 0 84 46/3 60
info@veredelungsunterlagen.de


Thomas Neder
Kreisfachberater im Landratsamt Coburg