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Saatgut selbst gewinnen

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Fachberatern „praktisch“ über die Schulter geschaut


Erbse ‘Kleine Rheinländerin’ (r.), Bohne ‘Schwarze Kugel’ (l.), Dicke Bohne ‘Rotsamige’ (M.)Foto: Das Gartenarchiv/Kahl Manchmal ist es schwer, seltene Sorten über den Handel zu beziehen.
Da hilft es, Saatgut selbst zu ernten. Hier im Bild: Erbse ‘Kleine Rheinländerin’ (r.), Bohne ‘Schwarze Kugel’ (l.), Dicke Bohne ‘Rotsamige’ (M.).
Die Europäische Union wollte die Nutzung von selbst ge­won­ne­nem Saatgut verbieten, es sollte nur noch Saat mit Zer­ti­fi­kat und Zulassung erlaubt sein. Auch Dank des Einsatzes vom Bundes­verband Deutscher Gar­ten­freunde dürfen wir jedoch weiterhin unseren Lieb­lings­sa­lat und unsere Lieblingstomate durch eigene Saat­gut­ge­win­nung weiterkultivieren.


Vielfalt statt Einheitsbrei

Wer Gärtnern als Hobby hat, sich mit viel Zeit und Mühe um seine Pflanzen kümmert, wird mit Blütenpracht oder reicher Ernte belohnt. „Die sind so lecker, genau die will ich wieder“ beflügelt nicht selten die Experimentierfreude und den Wunsch, Saat­gut von Lieblings­sor­ten für das nächste Gartenjahr sichern zu wollen. Doch heraus­pulen und trocknen lassen reicht nicht immer, und die falsche Lagerung kann das eigentlich gute Ergebnis auch zunichte machen.

Selbst entscheiden zu dürfen, welche Sorten – ob zertifiziert oder nicht, ob ge­kauft oder selbst gewonnen – im nächsten Jahr ins Beet kommen, ist ein Luxus in Sachen Vielfalt. Der un­über­schau­ba­re Genpool, der in Kleingärten vorliegt, muss erhalten bleiben, die einzigartige Vielfalt, gepflegt durch die Gartenfreunde, darf nicht einem Gesetz zum Opfer fallen. Regionale Ei­gen­hei­ten des Pflanzenspektrums dürfen nicht verloren gehen.


Nur die Harten für den Garten

Grundsätzlich sollten Sie nur Saat von den gesündesten Pflanzen mit besten Eigenschaften in Sachen Größe, Farbe, Form und Geschmack nehmen. Bei Frucht­gemüse lässt man die ersten oder zweiten Ansätze ausreifen und nutzt sie als „Samenspender“. Bei Blatt- und Wurzelgemüse ist es genau anders herum, hier nimmt man die Saat von den Pflanzen, die als letztes Samen ausbilden. Einfach und erfolgversprechend lässt sich Saatgut von Tomaten, Paprika und Bohnen gewinnen, die nicht aus F1-Saatgut entstanden sind.


Tomaten: Samen vergären

Festes Fleisch, tolles Aroma, guter Geschmack, reich tragend und gesund, wer so eine To­ma­ten­sor­te hat, möchte diese auch im folgenden Jahr kultivieren. Die Tomatenfrucht ist gefüllt mit Kernen, aber nicht jede Sorte ist saatfest, d.h. die Nachkommen können in ihren Eigenschaf­ten variieren. Bei saatfesten Sorten aber lohnt sich der Aufwand.

Um Tomatensamen zu gewinnen, verrühren Sie die Samen mit dem flüssigen Anteil der Tomate und ungefähr drei bis vier Teilen Wasser und lassen sie drei bis vier Tage in einem geschlossenen Glas an einem hellen Platz, z.B. auf der Fensterbank, stehen. Diese „Suppe“ beginnt zu gären, wodurch Krankheitskeime abgetötet werden. Einmal täglich wird umgerührt. Im Laufe dieser Gärphase bildet sich auf der Wasseroberfläche häufig ein Schimmelrasen (ungefährlich), und die gallertartige Keimschutzschicht löst sich von der Saat.

Vorsicht: Lassen Sie die Samen zu lan­ge im Wasser liegen, fangen sie gleich an zu keimen, was natürlich nicht gewünscht ist.

Nach der Gärphase spülen Sie in einem Sieb die Keimschutzschicht von den Samen gründlich ab. Es bleiben die nackten und meist behaarten Samen übrig, die nun auf einem Haushaltstuch oder auf einem Stofflappen getrocknet werden können. Anschließend werden sie kühl und trocken aufbewahrt.

Frühjahrstipp: Entdecken Sie im Frühjahr eine leckere Sorte im Lebensmittelgeschäft, können Sie die Samen auch direkt aus der Frucht in die Saatschale bringen. Der Erfolg ist garantiert, wenn es eine samenechte Sorte ist.

Tomaten ausdrückenFoto: Kleinworth 1) Drücken Sie die Tomaten aus und fangen Sie den Saft mit den Samen in einem Glas auf.

Saatgut selbst gewinnenFoto: Kleinworth 2) Geben Sie die drei- bis vierfache Menge Wasser zu.

Saatgut selbst gewinnenFoto: Kleinworth 3) Lassen Sie die Flüssigkeit an einem hellen Standort zwei bis vier Tage gären. Saatgut selbst gewinnenFoto: Kleinworth 4) Reinigen Sie die Samen in einem Sieb unter klarem Wasser.
Saatgut selbst gewinnenFoto: Kleinworth 5) Anschließend die Samen auf einem Tuch trocknen ... Saatgut selbst gewinnenFoto: Kleinworth 6) ... und z.B. in einem Glas an einem kühlen und trockenen Platz lagern.

 

Tipp: Wer diese Arbeit nicht jedes Jahr machen möchte und eine reiche Ernte an Samen hatte, kann diese einfrieren und auch noch für folgende Jahre verwenden.


Paprika und Chili nur trocknen

Die Hohlbeeren von Paprika und Chili sind gefüllt mit Saatkörnern. Die Samen werden aus der Frucht genommen, getrocknet und kühl und trocken gelagert. Sie sollten sie in der nächsten Saison nutzen, denn nach einem Jahr Lagerung lässt die Keimfähigkeit stark nach. Wer im Februar frische Paprika- oder Chilisamen aus den Früchten des Supermarktes nimmt und direkt aussät, kann sich in der Regel über ein gutes Ergebnis freuen.


Kürbisblüten zubinden

Bestäubung selbst vornehmenFoto: Verlag W. Wächter/Viets Wer samenechten Kürbissamen gewinnen möchte, muss die Bestäubung selbst vornehmen. Auch nach der Befruchtung wird die weibliche Blüte wieder zugebunden, damit über Insekten kein fremder Pollen in die Blüte gelangt. Achtung, Kürbis geht fremd! Wer samenechte Kürbissaat haben möchte, muss selbst Hand anlegen. Lässt man Bienen oder Hummeln diese Arbeit verrichten, kommen andere Kürbissorten beim Saatgut heraus.

Die ausgewählte weibliche Blüte, gut zu erkennen an dem Stempel in der Blüte und dem verdickten Fruchtknoten unter der eigentlichen Blüte, wird vorsichtig mit Klebeband verschlossen. Färbt sich diese Blüte gelb, wird sie am kom­men­den Tag aufgehen wollen. Jetzt muss Pollen der gleichen Pflanze separiert werden. Die männlichen Blüten sind an den Staubfäden und dem langen dün­nen Blütenstiel ebenfalls gut zu erkennen.
 
Die weibliche Blüte wird vorsichtig vom Klebeband befreit, öffnen soll sie sich von alleine. Mit einem weichen Pinsel wird der Pollen aufgenommen und auf die Narbe der weiblichen Blüte gestrichen. Anschlie­ßend wird sie wieder verschlossen. Diese Blüte bitte markieren und hoffen, dass es eine erfolgreiche Befruchtung war. Wenn der Fruchtknoten stark an­schwillt, hat es funktioniert.

Aus dem reifen Kürbis dieser Aktion werden die Samen für die kommende Generation genommen. Die Kerne dafür aus der Frucht nehmen, im Wasserbad reinigen und zum Trocknen auslegen.

 

Salatsamen spät ernten

Salat ist ein Selbstbefruchter, er verkreuzt sich nicht mit anderen Salatsorten. Für die Sa­men­ge­win­nung ist es wichtig, dass die Pflanzen blühen, wofür sie erst „schießen“ müssen, was sonst ja eigentlich nicht gewollt ist. Doch Achtung: Niemals die Salat­pflanzen, die als erste zu schießen beginnen, zur Vermehrung auswählen, sonst „züchten“ Sie, ohne es zu wollen, früh schießende Salatpflanzen!

Salatsamen spät erntenFoto: Das Gartenarchiv/Kahl Saatgewinnung von Salat sollte nur von den kräftigsten und schönsten Pflanzen erfolgen. Das beste Saatgut wird von den zentral (oben am Hauptstamm) reifenden Blüten geerntet. Hier im Bild Fruchtstände von Radicchio. Die Saatgewinnung sollte nur von den kräftigsten und schöns­ten Pflanzen erfolgen, die man schweren Herzens schießen und blühen lassen muss. Beginnt der Salat zu schießen, ist es wichtig, regelmäßig von unten her die verwelkten und fauligen Blätter zu entfernen. Sonst besteht die Gefahr, dass auch der Stängel anfault und der Blühtrieb um­fällt.

Optimal ist es, wenn die Sa­men­rei­fe in die trockene Jahreszeit fällt. In der letzten Phase dieses Reifeprozesses ist besondere Vorsicht geboten: Die Samen können sehr leicht vom Regen ausgespült werden oder die reifenden Samenträger durch feuchte Witterung verpilzen. Die Sa­men reifen unregelmäßig und sind zwölf bis 24 Tage nach der Blüte erntereif.

Test für die Samenreife: Die reifende Samenkapsel vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger reiben, der Samen ist ausreichend reif, wenn die Samenkapsel zerfällt und die Samen zwischen den Fingern liegen. Wenn das nicht gelingt und sich der Samenträger noch „teigig“ anfühlt, dann sollten Sie noch warten.

Das beste Saatgut wird von den zentral (oben am Hauptstamm) reifenden Blüten geerntet. Die geernteten Samen werden in einem Stoffsack an einem luftigen Ort gut nachgetrocknet. Das Saatgut ist bei guter Lagerung mindestens drei Jahre lang haltbar.

Bohnen gut nachtrocknenFoto: Das Gartenarchiv/Kahl Um Samen von Erbsen (Bild) und Bohnen zu gewinnen, können Sie die ganzen Pflanzen zum Trocknen an einen warmen und luftigen Ort hängen.

Bohnen gut nachtrocknen

Mit bunten Bändern werden die stärksten und gesün­desten Bohnenpflanzen markiert; an diesen lässt man die Hülsen aus­reifen. Werden sie bräunlich und tro­cken, ist es Zeit für die Ernte. Buschbohnen können als ganze Pflanze ausge­rissen und zum Trocknen an einem warmen und luftigen Ort aufgehängt werden, rund 14 Tage lang. Wenn die Samen so hart sind, dass sie mit dem Finger­nagel nicht mehr einge­drückt wer­den können, werden sie aus den Hülsen heraus­ge­pult. Sortieren Sie verletzte und sortenun­ty­pische Bohnen aus. Tipp: Auch Saatgut von Erbsen lässt sich auf diese Weise gewinnen.


Zwiebeln brauchen Zeit

Hier muss unterschieden werden zwischen zwei- und dreijährigen Zwiebelkul­turen. Für die Saatguternte muss die Pflanze blühen. Zweijährige Sorten haben im ersten Jahr schon einen starken Zuwachs, drei­jäh­ri­ge erst im zweiten Jahr. Erst nach dem starken vegetativen Wuchs kommt es nach dem Wie­der­aus­pflan­zen zur Blüte. Ist die Saat reif für die Ernte, fällt sie quasi aus dem Blütenstand. Gelagert wird sie kühl und trocken bis zur Wiederaussaat im Frühling.


Kühl und trocken lagern

Die Aufbewahrung der gesammelten Saat kann in Kaffee- oder Teefiltertüten, Stoffsäckchen oder auch in verschlossenen Gläsern geschehen. Ein kühler und trocke­ner Ort sollte es immer sein. Sehr wichtig ist eine übersichtliche Beschriftung: Art- und Sortenname sowie Erntedatum ge­hö­ren mindestens auf das Etikett.

Viel Spaß mit dem eigenen Saatgut! Aus eigener Ernte ist es übrigens ein tolles Geschenk für befreundete Gärtnerinnen und Gärtner!

Thomas Kleinworth,
Landesverbandsfachberater des Landesverbandes

Schleswig-Holstein der Gartenfreunde

 

Hier finden Sie einen Buchtipp zum Thema „Saatgut selbst gewinnen“, und hier einen ähnlichen zum Thema "Saatgut aus dem Hausgarten".

 

F1-Saatgut nicht für Vermehrung geeignet

Die Möglichkeit der Selbstbestäubung vieler Pflanzen wird in der Hybridzüchtung ganz bewusst eingesetzt. Dabei werden Inzucht­pflanzen produziert, die dann gezielt mit anderen Inzuchtindi­viduen gekreuzt werden. Die entstehende Nachkommenschafts­ge­neration (F1) zeichnet sich durch besondere – die Elterngeneration weit übertreffende – Qualitäts­merk­ma­le aus. Da sich solche Pflanzen aber nicht sortenecht über Saatgut weitervermehren lassen, sind sie für die Saatgutgewinnung der Hobbygärtner uninteressant.

Red.