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So „basteln“ Sie ein
Johannisbeer-Hoch­stämm­chen

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Leckere Früchte auf Augenhöhe


JohannisbeerstämmchenFoto: Genenger-Hein Johannisbeerstämmchen können Sie leicht selbst veredeln.

Kein Garten ist zu klein für Johannisbeeren. Wenn er nicht komplett ver­schattet und extrem den Spätfrösten aus­gesetzt ist, findet sich auf jedem noch so klei­nen Grundstück ein passender Platz für das robuste und zugleich urgesunde Beerenobst. Auch im Kübel auf dem Balkon oder der Terrasse machen Johannisbeeren eine gute Figur.


Von der Unterlage zum Stämmchen

Klassisch wachsen Johannisbeeren als Strauch. Optisch viel ansprechender und auch leichter zu beernten sind Johannisbeeren jedoch als Stämmchen, die zudem auch nicht ganz so viel Platz brauchen. Je nach Kronenhöhe unterscheidet man zwi­schen Fuß-, Halb- und Hochstämmchen.

Angeboten werden die Stämmchen fast überall. Viel mehr Spaß als das schnelle Kaufen macht es jedoch, sein Stämmchen selbst zu ziehen. Die kleine gärtnerische Herausforderung gelingt mit einigen Handgriffen relativ leicht.

JohannisbeerenFoto: Neder Um die künstliche Wuchsform eines Stämmchens zu erreichen, wird in den Obstbaumschulen ein sog. Edelreis (einjähriges kurzes Triebstück) auf einen Wildling oder eine Unterlage veredelt. Bei der Un­ter­la­ge handelt es sich um die Goldjohannisbeere (Ribes aureum). Diese Unterlage wird von den Obst­baum­schu­len schon als (leicht) bewurzelte, gerade Rute in verschiedenen Höhen angeboten (z.B. ‘Brechts Erfolg’ in den Höhen 80, 100, 120, 140 und 160 cm).

Da oft eine kalte Lagerungsmöglichkeit für Edelreiser fehlt und Johannisbeeren sehr frühzeitig austreiben, können Sie auch im Winter mit frisch vom Strauch geschnittenen Reisern veredeln. Der Fachmann spricht hier von der Winterhandveredlung. Nur im Winterschlaf befindliche, also nicht angetriebene Reiser sorgen für eine gute Anwachsquote. Als Ver­ed­lungs­me­tho­de eignet sich die Kopulation.

 
Einfache Kopulation
 
Johannisbeere - Schnittflächen an EdelreisFotos (6): Neder 1) Die Schnittflächen an Edelreis und Unterlage sollten möglichst gleich groß sein … Johannisbeere - Schnittflächen an Edelreis anpassen 2) ... und deckungsgleich aufeinanderpassen.
 
Johannisbeere - Kopulation mit Gegenzunge 3) Bei der Kopulation mit Gegenzunge erfolgt bei beiden Partnern ein weiterer Einschnitt am Grundschnitt. Johannisbeere - Edelreis und Unterlage 4) Edelreis und Unterlage lassen sich ineinanderschieben, ein Verrutschen beim Verbinden wird vermieden. Johannisbeere - Mit Medifilm verbinden 5) Nach erfolgreicher Zusammenführung wird mit Medifilm verbunden. Johannisbeere - Veredlung 6) Nach erfolgter Veredlung die Pflanzen bis zum Frühjahr im Beet oder Topf einschlagen.

Umfassen Sie das Reis mit der Hand, die Basis sollte dabei zum Körper, die Spitze nach vorne zeigen. Das Messer (eine Hippe oder ein glattes Ko­pu­la­tions­mes­ser) wird fast parallel zum Veredlungsreis an­ge­setzt. Sie sollten idealerweise so beginnen, dass auf der Seite, die dem Kopulationsschnitt gegenüber liegt, eine Knospe in der Mitte liegt. Der sog. Ko­pu­la­tions­schnitt ist etwa 2–3 cm lang.

Der gleiche Schnitt er­folgt auch an der Unterlage. Der obere Teil zeigt hier Richtung Körper. Beide Partner sollten sich nach den erfolgten Schnitten de­ckungs­gleich aufeinanderlegen lassen. Zumindest an einer Seite müssen sich die beiden Kam­bi­um­schich­ten (Wachstumsschichten, die eine Ver­bin­dung der beiden Partner ermöglichen) genau pas­send zur Deckung bringen lassen. Zu viele Kom­pro­mis­se sollten Sie dabei aber nicht eingehen und im Zweifelsfall lieber einen neuen Schnitt setzen.

Die Höhe des Anschnittes der Unterlage entscheidet über die spätere Kronenhöhe des Stämm­chens. Sie können diese variabel und individuell gestalten. In der Praxis orientiert sich die Veredlungs­höhe vor allem auch an der Dicke von Edelreis und Unterlage. Beide sollten möglichst gleich dick sein.

Das Reis kürzen Sie anschließend mit der Gar­ten­sche­re ein. Es sollte noch ca. drei bis vier Augen auf­wei­sen.

Ideal zum Verbinden der Veredlungsstelle ist Me­di­film-Ver­ed­lungs­band. Wird das Verbinden unter leich­tem Zug durch­ge­führt, vul­ka­ni­siert die hauch­dün­ne Fo­lie zu einer homogenen, was­ser­un­durch­läs­si­gen, stabilen Einheit. Das Verstreichen mit Ver­ed­lungs­wachs entfällt. Beginnen Sie am besten etwas unterhalb der Schnitt­fläche und ziehen Sie die Folie spiralförmig nach oben bis knapp ober­halb des oberen Schnitts. Alternativ können Sie auch mit Fleico-Gummiband ver­bin­den, das in engen Bahnen dachziegelartig von unten nach oben geführt wird (in beiden Fällen kann auch von oben nach unten gebunden werden). Das Gum­mi­band zerfällt durch die ein­wir­ken­de Son­nen­strah­lung im Freiland von selbst. Es geht natürlich auch Natur- oder Kunstbast.

Beim Einsatz von Folie oder Gummiband können Sie das obere Ende des Reises hauchdünn mit Ver­ed­lungs­wachs bestreichen. Die Verdunstung wird dadurch unterbunden. Die Knospen können den dünnen Auftrag im Frühjahr ohne große Probleme durchbrechen. Wenn Sie mit Bast verbinden, sollten Sie auch den Bereich der Schnittfläche gut mit Wachs verstreichen. Da Bast schnell einschnürt, muss der Verband nach dem Anwachsen (etwa im Mai/Juni) vorsichtig mit einer Rasierklinge oder einem scharfen Messer durchtrennt werden.


Kopulation mit Gegenzunge

Diese Variante des Kopulierens sorgt für einen besonders stabilen Sitz des veredelten Reises. Ein nachteiliges Verrutschen beim Verbinden kann hierdurch ver­mieden werden. Auch die Kon­takt­flä­che des Kambiums wird durch den zusätzlichen Schnitt noch vergrößert. Wenn Sie diese Variante wählen, sollten Sie Ihr Veredlungsmesser gut und sicher beherrschen!

Der Grundschnitt ist an beiden Veredlungspartnern gleich. Der Gegenzungenschnitt beginnt beim Edelreis im unteren Drittel des bereits durch­ge­führ­ten Grund­schnittes – etwa parallel zur Achse des Rei­ses. Je nach Reis ist er etwa 1–1,5 cm lang. Auf die gleiche Art und Weise verfahren Sie mit der Un­ter­la­ge. Der Schnitt beginnt allerdings im oberen Drittel.

Passen die Schnitte, lassen sich Edelreis und Un­ter­la­ge problemlos ineinander­schie­ben und verbinden. Die weitere Be­handlung erfolgt wie vorher be­schrie­ben.


Nach dem Veredeln

Nach erfolgter Veredlung sollten Sie die Pflanzen zunächst frostfrei in feuchten Sand oder eine lo­cke­re Erdmischung einschlagen. Im zeitigen Frühjahr können Sie die veredelten Ruten dann aufpflanzen und für eine Saison flott in Kultur halten. Um einen geraden Wuchs zu erreichen und ein Abbrechen der Krone zu vermeiden, ist es sinnvoll die veredelten Pflanzen an einem Stab zu befestigen. Im Herbst, wenn sich bereits eine kleine Krone gebildet hat, können Sie die Pflan­­zen an gewünschter Stelle einpflanzen.


JohannisbeerkroneFoto: Neder Um ein Abbrechen der Krone zu vermeiden, ist es sinnvoll die Pflanzen abzustützen.


Da die Goldjohannisbeere sehr austriebs­freudig ist, können am Stamm und an der Basis „Wild­trie­be“ entstehen, diese müssen Sie regelmäßig ent­fernen. Sie können  jede Rute schon nach dem Veredeln auch einzeln in einen kleinen Topf setzen und wie be­reits be­schrie­ben wei­ter­kul­ti­vie­ren.

Diese Veredlung gelingt auch mit Stachelbeeren. Auch sie werden auf Goldjohannisbeeren veredelt. Vor dem Veredeln werden die Stacheln am besten mit einer Schere sorgfältig entfernt, um Verletzungen zu vermeiden. Selbst „gebastelte“ Jo­hannisbeer-Hochstämmchen sind auch ein schönes Geschenk für andere Gartenfreunde. Einige Pflanzen auf Vorrat schaden daher nicht.

Thomas Neder
Kreisfachberater Landkreis Coburg

 

Bezugsquellen für Unterlagen


Eggert Baumschulen
Tel. 0 48 27/93 26 27
www.eggert-baumschulen.de

Veredlungsunterlagen
Andrea Lutz

Tel. 0 84 59/99 50 68
www.veredelungsunterlagen.de